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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

räumliche Repräsentationen

Autor
Autor:
Julia Schneider-Ermer

die mentalen Abbilder von Makroräumen bzw. sog. “large-scale environments”, von Räumen bzw. Umwelten also, die der Betrachter von keinem Standpunkt aus vollständig überblicken kann. Man geht weiter davon aus, daß räumliche Umwelten als sog. “kognitive Landkarten” (“cognitive maps”) repräsentiert werden. Das sind mehr oder weniger analoge Abbilder des realen Raumes. In kognitiven Landkarten sind einerseits bestimmte Merkmale des Raumes gespeichert, wie Landmarken als Referenzpunkte zur eigenen Positionierung im Raum, Wege bzw. Routen als Verbindungen zwischen den Landmarken sowie Kreuzungen. Andererseits beinhalten kognitive Landkarten aber auch das Wissen über die räumlichen Relationen dieser Merkmale in Form von Richtungen und Entfernungen.

Räumliche Repräsentationen dienen der Orientierung in der Umwelt und sind Grundlage für das Wegefinden. Sie lassen sich auf verschiedene Weise operationalisieren, zum einen als direkte Externalisierungen, z. B. zeichnerisch in Form von “sketch-maps” oder gestalterisch als Raummodelle. Eine andere Methode zur empirischen Erfassung sind sog. Zeigeaufgaben (“pointing tasks”), bei denen die Probanden entweder in der realen Umwelt oder von einem vorgestellten Ausgangspunkt aus die Position eines anderen Ortes lokalisieren und darauf zeigen müssen. Weitere Verfahren sind das Distanzschätzen oder das Navigieren in zuvor gelernten realen oder virtuellen Umwelten.

Der Erwerb räumlicher Repräsentationen von Umwelten vollzieht sich nach Hart und Moore (1973) über einen stufenweisen Wechsel des Bezugspunktes. Zunächst sind kognitive Landkarten egozentrisch, d. h. sie stellen die räumlichen Gegebenheiten nur aus der Sicht des Betrachters dar. Daraus entwickeln sich dann fixierte Karten, als wahlloses Nebeneinander von sog. “mini maps” mit jeweils eigenem Bezugspunkt. Die höchste Stufe sind koordinierte Karten, bei denen alle Konstituenten in korrekter räumlicher Beziehung zueinander stehen. Auch Siegel und White (1975) postulieren sowohl ontogenetisch als auch mikrogenetisch eine Stufenabfolge bei der Entwicklung räumlicher Repräsentationen. Danach vollzieht sich diese von einem Ausgangspunkt reinen Landmarkenwissens über eine Stufe des Routenwissens zu dem elaboriertesten Stadium des Übersichtswissens. Die Abfolge dieser Stufen scheint jedoch keineswegs universal zu sein. So können unterschiedliche Erfahrungen mit Umwelten, aber auch individuelle Merkmale (z. B. das Geschlecht) und persönliche Vorlieben, Präferenzen für bestimmte Formen räumlichen Wissens determinieren.

Auch bei den räumlichen Repräsentationen von Umwelten wurden wie bei anderen Arten räumlichen Denkens (z. B. bei der Raumvorstellungsfähigkeit) Geschlechtsunterschiede beobachtet. Diese manifestieren sich hauptsächlich als Strategieunterschiede. Während Frauen bei der Navigation in realen Räumen häufiger Routenstrategien benutzen, verwenden Männer bevorzugt Orientierungsstrategien. Bereits im Grundschulalter präferieren Mädchen Landmarken als Orientierungspunkte, und Jungen weisen bessere Zeigeleistungen auf. Unter bestimmten Bedingungen (z.B. bei Unbekanntheit des Raumes) haben Frauen mehr Schwierigkeiten mit dem Wegefinden. Darüber hinaus konnte bei Frauen ein Zusammenhang zwischen der Orientierungsängstlichkeit und dem Wegefinden nachgewiesen werden (Mentale Modelle).


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