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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Recall-Therapie

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

auch: Interpersonal Process Recall, von N. I. Kagan entwickelte Therapieform, die interpersonales Verhalten zwischen einem Berater (Counselor) und einem Klienten durch den Einsatz von Videobändern dokumentiert und anschließend dem Klienten vorspielt. Durch das Ansehen der Videosequenzen werden Gedanken, Gefühle, Intentionen und Vorstellungen, die während einer interpersonalen Interaktion auftreten, zurückgerufen (recall) und können nochmals reflektiert werden. Ein neutraler Befrager unterstützt den Reflexionsprozeß des Klienten, der bei dem Ansehen des Videos auftritt. Ziel ist eine grundlegende Selbstexploration und das Verstehen von interpersonellen Haltungen. Es wird angenommen, daß sich in der Beziehung zwischen Klient und Counselor die gleichen Beziehungsmuster finden lassen, die auch sonst in der Beziehung zu anderen Personen bestehen. Diese Konstanz des Verhaltens erklärt sich aus den spezifischen Ängsten, die Menschen voreinander haben und die ihr Distanz-Nähe-Verhalten regulieren und auch als Sich-selbst-erfüllende Prophezeiung wirken: Die vorweggenommenen Erwartungen, die Personen in Bezug auf andere hegen, bestimmen die Interaktion. Als Verhaltensformen treten Angriff, Rückzug und Konformismus auf. Durch die Videoaufnahme des Gesprächs zwischen Counselor und Klient soll dem Klienten eine neutrale Quelle der Rückmeldung ermöglicht werden. Mit Hilfe des Befragers, der keine beratende sondern eine ausschließlich explorierende Funktion hat, wird die Gesprächssituation nochmals betrachtet. Der Counselor selbst ist bei der nachfolgenden Exploration nicht mehr anwesend. Die Funktion des Befragers liegt ausschließlich darin, den Recall und die Selbstanalyse affektiv, kognitiv und auf körperlicher Ebene zu stimulieren. Der Klient bestimmt, welche Situationen im Gespräch mit dem Counselor analysiert werden sollen und unterbricht selbst das Abspielen der Videosequenzen. Durch Beobachtung und Analyse des eigenen Verhaltens werden Veränderungsprozesse angeregt. Die Klienten werden ermutigt, neue Verhaltensweisen auszuprobieren. Die Recall-Therapie wird häufig als Ausbildungsmittel in der Supervision eingesetzt, in geringerem Maß auch in der Psychotherapie, wobei sie nicht auf bestimmte Störungen beschränkt ist.

Literatur

Kagan, N. I. & McQuellon, R. ( 1983). Recall-Therapie. In R. Corsini (Hrsg.), Handbuch der Psychotherapie, Bd. 2. Weinheim: Beltz.


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