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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Weinen

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

eine Sekretion der Tränendrüsen, die auch auf rein äußere (physische) Reize hin einsetzen kann, etwa durch Rauch, oder als Folge von Erkältungen. Tränen sind die einzige menschliche Ausscheidung, die nicht als schmutzig gelten kann, und die von der Erziehung zum Ekel unberührt bleibt. Sie gelten als Ausdruck der Trauer, können sich aber auch zusammen mit dem Lachen einstellen. Das Weinen kann ebenso ansteckend sein wie das Lachen. Beides sind Entspannungsreaktionen, wie sie manchmal absichtlich gesucht werden, weil man sie als befreiend empfindet. Der Hang oder die Fähigkeit zum Weinen ist individuell sehr unterschiedlich entwickelt. Es gibt Menschen, die »sehr nahe an den Tränen gebaut« sind, und andere, die nicht einmal dann weinen könnten, wenn sie es wollten. Zur Geschlechtsrolle des Mannes gehört es weithin, daß er nicht weinen darf, wenn er nicht schwach erscheinen will. Die Gesellschaft hat bestimmte Gelegenheiten mit der Erlaubnis zum Weinen ausgestattet. Manche davon sind geradezu mit einem Zwang zum deutlichen Ausdruck der Trauer belegt. Hier wird eine Verbindung zur Sentimentalität geschaffen, also zur Äußerung angenommener, künstlicher Gefühle. Weinen kann so zur Schauspielerei werden: es gibt Leute, die nach Belieben »Krokodilstränen« weinen und so eine Trauer vortäuschen können, die sie nicht empfinden. Andererseits gibt es Situationen, in denen man Tränen kaum unterdrücken kann, obwohl der Anlaß dazu kaum eine Trauer rechtfertigt. Hier wird wohl durch äußere Ähnlichkeiten die unbewußte Erinnerung an eine Gelegenheit geweckt, die tatsächlich seelischen Schmerz auslösen mußte. Insgesamt ist das Weinen ein markantes Beispiel für die Übergänge und Grenzen zwischen Physiologie und Psychologie.

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