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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Plazebo

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

bezeichnet eine Aktivität oder Substanz, die eine Wirkung auf eine Erkrankung oder ein Symptom ausübt, obwohl kein nachweislich spezifischer Einfluß vorliegt. Unterschieden werden wahre (echt, rein) und falsche Plazebopräparate. Das wahre Plazebopräparat enthält lediglich Milchzucker, Stärke oder andere unwirksame Substanzen, Geschmack- und Farbstoffe. Das falsche Plazebo hingegen besteht aus pharmakologisch aktiven Substanzen und kann bei ausreichender Dosierung als Pharmakon eingesetzt werden. Diese falschen Plazebos entfalten jedoch keine Wirkung, da sie entweder zu niedrig dosiert sind oder keine Indikation für die zu behandelnde Erkrankung vorliegt. Bei manchen Erkrankungen, ärztlichen Eingriffen, psychotherapeutischen und psychologischen “Behandlungen” können aber bis zu 100% Besserungen zumindest kurzfristig (Maximaldauer 2-3 Monate) erzielt werden. Untersuchungen, in denen die Wirksamkeit von Plazebopräparaten bei unterschiedlichen Erkrankungen getestet wurde, geben eine Verbesserung der Symptomatik (Respons) in durchschnittlich 35% der Fälle an. Neben der Wirkung der Symptomverbesserung treten aber unter Plazebos ebenso häufig unerwünschte Effekte wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit oder depressive Verstimmungen auf. Auch konnten unter Plazebogabe Symptome einer Pseudo-Arzneimittelabhängigkeit beobachtet werden. Sowohl für die erwünschten wie auch für die unerwünschten Wirkungen von Plazebopräparaten können mehrere Erklärungsmodelle angeführt werden. Zum einen kann angenommen werden, daß der Behandlungserfolg wirkstoffloser Substanzen zeitgleich mit einer spontanen positiven Veränderung des Krankheitsgeschehens (Spontanremission) auftritt. Lerntheoretiker gehen davon aus, daß der Plazeboeffekt in klassischer Konditionierung erworben wird. Durch die häufige Kopplung eines wirksamen Präparates z.B. mit einer für den Patienten erkennbaren Verpackung (z.B. Kapsel) erhält die Verpackung den Charakter eines konditionierten Reizes. In der Folge wird die Kapsel, auch wenn sie ein wirkstoffreies Plazebo enthält, den gewünschten therapeutischen Effekt herbeiführen. In kognitiven Erklärungsansätzen steht die Erwartung im Vordergrund, ein wirksames Medikament zu erhalten. Angenommen wird, daß durch das häufige gemeinsame Auftreten von wirksamer Substanz und z.B. der Darreichungsform letztere zum Prädiktor für den nachfolgenden Therapieeffekt wird und ihn nach einiger Zeit selbständig auslösen kann. Physiologische Korrelate der Plazebowirkung sind bislang vor allem für die Plazeboanalgesie untersucht worden. Die schmerzlindernde Wirkung der Plazebo-Analgetika scheint primär über eine Aktivierung körpereigener Opiate (Endorphine) vermittelt zu sein.

Im Forschungskontext klinischer Studien werden Plazebos vor allem zur Kontrolle von spezifischen und unspezifischen Therapieeffekten verwendet. In plazebokontrollierten Untersuchungen erhält die Hälfte der Patienten die zu testende Substanz, die andere Hälfte das wirkstoff-freie Plazebo. Als Plazebos in der Psychotherapie und psychologischen Therapie wirken positive Patientenerwartung, vermeintliche oder echte Kompetenz des Therapeuten, Zuwendungsintensität zum Patienten und eine Vielzahl von sozialpsychologischen Variablen wie Überredungsfertigkeiten, Unterschiede im ökonomischen Status oder Suggestibilität (Psychotherapie-Wirkung).


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