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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

virtuelle Realität

Autor
Autor:
Klaus-Dieter Zumbeck

virtual reality, bezeichnet im Unterschied zur materialen Realität im weitesten Sinne eine informationell erzeugte Realität. So versetzen wir uns etwa durch das Lesen eines Romans in eine virtuelle Realität. Besonders häufig wird jedoch die computervermittelte Kommunikation im Internet oder in anderen Computernetzwerken als Agieren in einer virtuellen Umgebung verstanden. Daß die im Netz zwischen Personen ausgetauschten Botschaften digitale (Text-) Botschaften sind, heißt jedoch nicht, daß dieser virtuelle Austausch aus psychologischer Sicht rein fiktiv oder eingebildet ist. Auch eine per Netzkommunikation aufgebaute virtuelle Freundschaft (auch: Online-Freundschaft, Netzfreundschaft oder Cyberfreundschaft) ist für die Beteiligten in sozialer Hinsicht real, geht mit realen Motivationen, Emotionen und Kognitionen einher und hat Verhaltenskonsequenzen. Oftmals beschränkt sich der Austausch in virtuellen Beziehungen, Gruppen oder Gemeinschaften ohnehin nicht auf virtuelle Kommunikation, sondern wird durch andere Kontaktformen ergänzt (z.B. Telefonate, Briefe, persönliche Treffen).

Im engeren Sinne wird von virtueller Realität (VR) gesprochen, wenn die informationell erzeugte Realität computergeneriert ist und interaktiv auf Aktionen der Nutzerin oder des Nutzers reagiert. VRen können reine Textumgebungen sein, wie sie z.B. als MUDs (Multi User Dungeons/Dimensions) heute via Internet zugänglich sind. Technisch aufwendigere Anwendungen generieren nicht nur eine zweidimensionale Textumgebung am Monitor, sondern erlauben mittels Datenhelm, Datenhandschuh oder Datenanzug das Eintauchen (Immersion) in eine dreidimensionale audio-visuelle und taktile Umgebung, die tatsächlich ein hautnahes Realitätserlebnis verschafft. Solche virtuellen Realitäten, die bislang nicht über Computernetze zugänglich sind, werden unter anderem eingesetzt beim Militär, in der Medizin, in der Architektur, aber auch in der Psychologie. Insbesondere im psychotherapeutischen Bereich ergeben sich durch VR-Anwendungen ganz neue Chancen: So können im Kontext der Verhaltenstherapie angstauslösende Situationen (z.B. Flugangst, Höhenangst) virtuell dargestellt werden, was sowohl im Vergleich zu reinen Imaginationsverfahren als auch im Vergleich zur realen Konfrontation Vorteile bieten kann (z.B. Unterstützung imaginationsschwacher Personen; Bereitstellung hochspezifischer Stimuluskonstellationen; Umgehung von Therapiesitzungen an öffentlichen Orten). Zudem lassen sich VR-Anwendungen zu Trainingszwecken oder in der Diagnostik einsetzen.

Manche VR-Anwendungen haben einen engen Bezug zur materialen Realität bzw. bilden diese ab (z.B. Operation am virtuellen Modell eines realen Patienten), andere stellen rein fiktive Spielumgebungen dar (z.B. Science-Fiction-Szenarien). Noch stehen die hohen technischen Anforderungen der VR-Produktion und VR-Nutzung einer Popularisierung im Wege. Daß VR-Anwendungen gerade im Unterhaltungsbereich zukunftsträchtig sind, steht jedoch außer Frage. Mit der Veralltäglichung von VR-Anwendungen wird für die Medienpsychologie die Frage nach der Unterscheidbarkeit materialer und virtueller Realitäten besonders virulent werden. Dabei geht es nicht nur um die Perfektion der Sinnestäuschung, sondern auch und vor allem um kulturelle Aneignungsformen (z.B. Verhaltensnormen in virtuellen Realitäten, Altersgrenzen, Vor- und Nachbereitung von VR-Erlebnissen).


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