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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Extra-Rollenverhalten

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

Bezeichnung für alle Verhaltensweisen von Mitarbeitern in Organisationen, die freiwillig gezeigt werden, nicht explizit im Arbeitsvertrag geregelt sind und positive oder negative Auswirkungen auf die Effektivität der Organisation haben. Am intensivsten erforscht wurde bislang das organizational citizenship behavior, das positive Auswirkungen auf Organisationen hat und fünf Dimensionen umfasst: 1) Hilfeleistungen für Kollegen, Kunden oder Vorgesetzte (altruism, Hilfeverhalten), 2) Gewissenhaftigkeit im Sinne besonders sorgfältiger Erfüllung der Aufgaben (generalized compliance), 3) sich zuerst mit anderen abstimmen, bevor Handlungen gezeigt werden, die deren Arbeitsbereich betreffen (courtesy); 4) gelassenes Ertragen der Ärgernisse, die unweigerlich aus der Zusammenarbeit zwischen Menschen entstehen (sportsmanship); 5) Teilhabe am "öffentlichen Leben" der Organisation (civic virtues). Verhaltensweisen, die negative Auswirkungen auf die Organisation haben, wurden dagegen relativ wenig untersucht. Dazu zählen aggressive Handlungen gegen Kollegen oder die Organisation, versteckt ausgeführte Racheakte (Mobbing), psychologisches Rückzugsverhalten und schwache Formen des Widerstands.

In der theoretischen Erklärung finden sich bislang zwei Ansätze. Zum einen wird angenommen, daß Extra-Rollenverhalten durch kognitive Prozesse (Kognition) gesteuert wird - Verhalten mit positiven Konsequenzen für die Organisation soll durch erlebte Verfahrensgerechtigkeit ausgelöst werden, Verhalten mit negativen Konsequenzen dagegen durch erlebte Verstöße gegen die Verteilungsgerechtigkeit. Der zweite Ansatz sieht in Affekten die entscheidende Bedingung für Extra-Rollenverhalten. Demnach wird Extra-Rollenverhalten mit positiven Konsequenzen durch eine positive Stimmung am Arbeitsplatz ausgelöst, die wiederum drei Faktoren beeinflussen (Die Bedingungen von Extra-Rollenverhalten mit negativen Konsequenzen werden in diesem Ansatz nicht genauer expliziert).

- Die Stimmung am Arbeitsplatz als situativ gebundenes Gefühl,

- das Gruppenklima im Sinne der affektiven Reaktionen am Arbeitsplatz und

- die dispositionale Gestimmtheit der Person, d.h. ihre positive Affektivität.

Empirisch konnte gezeigt werden, daß Extra-Rollenverhalten mit positiven Konsequenzen für die Organisation relativ enge Korrelationen zu Arbeitseinstellungen aufweist, besonders mit Arbeitszufriedenheit, einem kooperativen Führungsstil und erlebter Verfahrensgerechtigkeit. Schwächere, aber immer noch bedeutsame Zusammenhänge finden sich mit der Leistung von Arbeitsgruppen (Gruppenarbeit) bzw. ganzer Organisationseinheiten. Verhalten mit negativen Konsequenzen für die Organisation korreliert mit interaktionaler Ungerechtigkeit.

Literatur

George, J. M. & Brief, A. P. (1992). Feeling good - doing good: A conceptual analysis of the mood at work-organizational spontaneity relationship. Psychological Bulletin, 112, 310-329.

McLean Parks, J. & Kidder, D. L. (1994). "Till death us do part ..." Changing work relationships in the 1990s. Trends in Organisational Behavior, 1, 111-136.

Organ, D. W. & Paine, J. B. (1999). A new kind of performance for industrial and organizational psychology: Recent contributions to the study of organizational citizenship behaviour. In C. L. Cooper & I. T. Robertson (Eds.), International Review of Industrial and Organizational Psychology. (S. 337-368). Chichester, UK: Wiley.


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