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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Kirche

Autor
Autor:
Julia Schneider-Ermer

eine als Institution organisierte Religionsgemeinschaft. Zur Kirche gehört eine festgeschriebene, verbindliche Glaubenslehre (Dogma), eine hauptberufliche Priesterschaft, ein inneres Machtgefüge und ein bestimmender Einfluß auf die Gesellschaft. Im Interesse dieses Einflusses werden die ursprünglichen Forderungen der Lehre gemäßigt, und man geht Kompromisse mit den Sitten ein, die ringsum gelten. Entweder ringt die Kirche mit dem Staat um die Macht, oder sie bietet sich ihm als Stütze seiner Macht an. Je mehr sich die Kirche als Institution verfestigt, und je größer der Kreis ihrer Mitglieder wird, desto weniger scheint die kirchliche Praxis mit der religiösen Lehre vereinbar, und desto geringer wird auch das Zugehörigkeitsgefühl der Kirchenmitglieder zur Gemeinde. Oft entsteht eine Spaltung der Gemeinde in einen Kern, für den der kirchliche Glaube noch wirklich verbindlich ist, und den größeren Kreis derer, die nur noch gewohnheitsmäßig dazugehören. Hier liegt auch der Ansatz für Kirchenspaltungen und Sektenbildung. Im Anfang jeder Reformation steht die Berufung auf die Reinheit der Lehre und die Abkehr von festgefahrenen Machtstrukturen, zugleich aber die Sammlung einiger weniger zu einer innigeren Gemeinschaft, die sich meist nach einem persönlichen Führer richtet. In dem Maße, in dem die neue Gruppe sich durchsetzen und weitere Anhänger sammeln kann, formiert sie sich wiederum als Kirche und wiederholt die frühere Entwicklung. Nur solange eine religiöse Gruppe Lehren vertritt, die den in der übrigen Gesellschaft geltenden Überzeugungen zuwiderlaufen, und soweit die Formen ihres Gemeindelebens besonders eigentümlich wirken, bleibt sie eine Sekte. Hier werden die Leh ren als verbindlicher, der Zusammenhalt als inniger erlebt. Hier besteht aber auch die Gefahr geistiger Verwirrung (wie bei einer Überwert-Idee) und sonderlingshafter Isolation. Ähnlich wie Kirchen haben sich manche politische Parteien mit weltanschaulichem Hintergrund entwickelt. Auch hier wurden die Ideologien im Interesse der Macht verwässert, und die Gemeinschaft erstarrte zur Institution. Auch hier haben sich »Gegenkirchen« und »Sekten« abgespalten. Das verwirrend vielfältige Bild, das der Kommunismus in aller Welt heute bietet, ist ein anschauliches Beispiel für das Problem der Organisation eines Glaubens.

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