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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Umweltbewußtsein

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

alltagssprachlich zum einen die Befürchtungen und Betroffenheit angesichts der Umweltprobleme, aber auch Umweltwissen (z.B. über die Wasserbelastung durch Haushalte), umweltbezogene Wertorientierungen (das, was der einzelne wünscht oder für erforderlich hält) und umweltrelevante Verhaltensabsichten (geäußerte Bereitschaft, auf das Autofahren möglichst zu verzichten) sowie zum andern – weit gefaßt – manifestes Umweltverhalten (Wassereinsparen durch Kauf einer Spartaste, Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel). Zwischen den verbal geäußerten Einstellungen, Wertvorstellungen und Verhaltensabsichten (dem Umweltbewußtsein mit "mittlerem Bedeutungsumfang") und dem tatsächlichem Alltagsverhalten (in dem sich Umweltbewußtsein niederschlagen sollte) ist allerdings bei den meisten Menschen eine große Kluft festzustellen (Allmende-Klemme). Das von der Umweltpsychologie entwickelte Methodeninventar enthält Ansätze für erfolgversprechende Interventionen, um die Kluft zu verringern.

Trotz überwiegend vorhandenem Umweltbewußtsein sind die Barrieren zum individuellen umweltschonenden Handeln teilweise unüberwindbar. Gründe sind: a) Die Konsumgewohnheiten sind durch einen verschwenderischen Umgang mit Energie geprägt. b) Energiesparen bedeutet z.B. Verzicht auf Bequemlichkeit und Anstieg der Kosten. c) Umweltschonendes Verhalten erfordert Widerstand gegen eine Vielzahl von materiellen und sozialen Verstärkern. d) Die Verantwortung für die ökologischen Fehlentwicklungen verteilt sich auf Millionen Akteure – der individuelle Anteil an der Verursachung ist somit gering und wird häufig als Rechtfertigung für individuelles umweltschädliches Verhalten eingesetzt. Die Ausbeutung gemeinschaftlicher Ressourcen (Luft, Wasser) als Rohstoff oder Produktionsmittel bringt individuellen Gewinn, die Folgekosten werden auf die Gemeinschaft umgelegt (Allmende-Klemme). e) Technische Neuerungen bringen oft schnellen Gewinn. Werden die schädlichen Konsequenzen (z.B. bei der Nutzung von Antibiotika, Pestiziden und Kernkraft) mit zeitlicher Verzögerung erkennbar, ist die Aufgabe bzw. der Ausstieg nicht sofort und zudem sehr kostspielig möglich. Die Schäden überdauern die Nutzungsvorteile oft jahrzehntelang. f) Die komplexen ökologischen Zusammenhänge führen zu typischen Fehlern in der Wahrnehmung und Bewertung der Umweltprobleme (Umweltwahrnehmung).

Um umweltschonendes Verhalten zu fördern bzw. zu erreichen, lassen sich ganz unterschiedliche Ansätze in Betracht ziehen: Fuß-in-der-Tür-Technik, Soziales Marketing, Handlungsanreize und Verhaltensangebote, d.h. erkennbare und zugängliche Alternativen, Belohnungen und Bestrafungen (über Preisvorteile oder Bußgelder) sowie prompte Rückmeldung über die Handlungseffekte – anstelle von Einsicht also komplexe Formen des instrumentellen Lernens. Allerdings sind dauerhafte und tiefgreifende Bewußtseins- und Verhaltensänderungen gegen den Verstärkerdruck konsumfördernder Stimuli allein durch psychologische Wege und Methoden – mit dem Ziel, individuelles Wissen, Können, Wollen zu schaffen und Betroffenheit zu erzeugen, – kaum zu erwarten.


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