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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Determiniert

Autor
Autor:
Werner Eberlein

nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung bestimmt. Während man in einer »populären« Psychologie die Gefühle als unergründbar, ja als zufällig ansah, muß es der wissenschaftlichen Psychologie darum gehen, die Ursachen einer seelischen Regung zu ermitteln. Der Behaviorismus sieht sie freilich nur im Zusammenhang mit den äußeren Bedingungen eines Verhaltens. Die Tiefenpsychologie aber forscht nach den Beziehungen zum Erleben und nach der inneren Bedeutung. Dabei ergab sich, daß beinahe jede seelische Äußerung durch mehr als eine Ursache bedingt, daß sie »überdeterminiert« ist. Meist beruht sie auf einem vielschichtigen Geflecht von Motiven. Als Beispiel mag ein Mann dienen, der eine sehr schöne Frau wählt: weil sie ihn sexuell anzieht, weil sie ihn an ein Ideal aus der Kindheit erinnert, weil er durch ihren Besitz seinen eigenen Wert vor anderen Männern erweisen kann, weil er hinter ihrer Schönheit ihren Narzißmus und damit ihre Unzugänglichkeit als Reiz spürt; und dies alles trifft in seiner Wahl untrennbar und aufeinander bezogen zusammen. Wenn ein Kundiger die seelische Verfassung eines erwachsenen Menschen sehr gut kennt, kann er daraus Rückschlüsse auf dessen Kindheitserlebnisse ziehen. Als Freud seine Schülerin Marie Bonaparte analysierte, schloß er aus gewissen Symptomen, daß sie im ersten Lebensjahr Augenzeugin eines Koitus gewesen sein müßte. Sie hielt das für unmöglich, erreichte aber Jahre später das Geständnis ihres alten Reitknechtes, daß er damals wirklich mit der Kinderfrau vor den Augen des Babys Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Wenn man die Lebensverhältnisse eines Kindes kennt, kann man aus ih nen aber noch nicht schließen, in welcher Weise es sich später seelisch entwickeln wird. Es gibt zu viele Faktoren, deren relative Kraft sich nicht abschätzen läßt, als daß eine solche Prognose mit einiger Sicherheit gestellt werden könnte. Die Determination seelischen Geschehens läßt sich nicht auf einfache Formeln bringen wie in der Mathematik oder Chemie. Eben deshalb verzichtet der Behaviorismus von vornherein darauf, überhaupt Fragen danach zu stellen.

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