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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Werbung

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

gezielte Versuche zur Beeinflussung eines Verhaltens, zum Beispiel zum Kauf einer Ware (Reklame) oder zur Wahl einer politischen Partei (Propaganda). Die Werbung arbeitet nur zum Teil mit sachlichen Argumenten, indem sie die Vorteile der Sache darstellt, für die sie eintritt. Oft hämmert sie bloß durch ständige Wiederholung ein paar Namen und Schlagworte ein. Sie wählt auffällige, einprägsame Formen und Farben, die zugleich eine bestimmte Gefühlslage ansprechen sollen. Ähnlich werden akustische Reize eingesetzt, von einschmeichelnden Melodien bis zum Geschrei. Weitgehend ist die Werbung auf Breitenwirkung angelegt; damit will sie eine Situation schaffen, in der ein Produkt oder eine Meinung nahezu allgemein als >richtig< gilt. So entsteht eine Masse, in der ja die Fähigkeit zur Kritik herabgesetzt ist. Besonders über das Fernsehen gelingt es der Werbung aber auch, ihre Aussagen direkt bis in die Intimsphäre der Familien zu tragen. Auf allen Ebenen versucht sie, Assoziationen zwischen gewissen Wünschen oder Ängsten und ihrem Angebot anzubahnen. Namentlich bei Waren, die von konkurrierenden Bewerbern in fast unterschiedsloser Weise auf den Markt gebracht werden, wie etwa bei Waschmitteln, wirbt man weniger für das Produkt als für – zum Beispiel – familiäres Glück, das man sich mit dem Kauf einhandeln könnte, oder gegen häuslichen Streit, der bei einem Verzicht eintreten müßte. Darüber hinaus werden künstliche Bedürfnisse geschaffen, das heißt Produkte angeboten, deren Nutzwert gering ist, deren Besitz aber dank der Werbung als modern gilt. Die Propaganda stellt oft weniger politische Programme als Personen vor, denen sie ein Image verleiht in der Hoffnung auf Sympathie (statt auf sachliche Zustimmung). Auch die kommerzielle Reklame stellt gern lebende Menschen vor, die Vorbilder sein könnten oder eine erotische Anziehungskraft haben, so daß man die Ware kauft, um ihnen zu gleichen oder ihresgleichen zu gefallen. Die Werbung wird zur Verführung, zur Demagogie. Ihr Einfluß erstreckt sich bis ins Unbewußte. Auf kaum einem anderen Gebiet der angewandten Psychologie (Psychotechnik) hat man die Erkenntnisse der Psychoanalyse so konsequent in die Praxis umgesetzt wie in der modernen Werbung. Hier wird sogar die Lehre von den Symbolen genutzt, die sonst auf soviel Unglauben stößt: der Erfolg, den man damit erzielt, beweist ihre Bedeutsamkeit. So warb man für Krawatten als Penis-Symbole; man sollte sie als Zeichen der Männlichkeit kaufen, ohne sich dieses Motivs bewußt zu werden. Indem man so das Unbewußte anspricht, wird die Kontrolle des Be wußtseins umgangen. Die Verlockungen der Werbung werden zu »geheimen Verführern«, denen man gerade deshalb nicht widerstehen kann, weil man sie nicht bewußt wahrnimmt. Doch aus der psychoanalytischen Einsicht in unbewußte Zusammenhänge ergeben sich nicht nur die Möglichkeiten zur Manipulation, sondern auch die zur bewußten Abwehr.

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