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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Namen

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

sind nicht einfach »Schall und Rauch« (Goethe), sondern wirken oft wie ein Programm: »nomen est omen«. Wenn Eltern einen Vornamen für ihr Kind wählen, geben sie ihm damit oft ein Muster mit, nach dem es sich richten soll, ohne daß zur Zeit der Taufe schon abzusehen wäre, ob es zu dem Menschen paßt, der da als »Siegfried« ein Held oder als »Salome« eine Verführerin sein müßte. Die Wahl der Vornamen folgt Moden, in denen sich der Geist der Zeit spiegelt. Es mag sein, daß sie in eine andere Zeit hinein getragen werden müssen, in der sie fast wie ein Kainsmal der Vergangenheit wirken – so wie es manchen Menschen geschah, deren »nordische« Namen noch immer an die Nazi-Zeit erinnern. Der Vorname eines anderen Menschen beeinflußt unser Urteil über ihn, noch ehe wir ihn kennen, wenn er uns an andere erinnert, die ihn trugen, oder eben an das Vorbild aus Sage und Geschichte, nach dem er gewählt worden ist. Schon der harte oder melodische Klang eines Namens prägt das Gefühlsverhältnis zu ihm. Viele Liebende verändern den Namen ihres Partners, weil sie meinen, er werde ihnen so mehr gehören, als wenn sie all die Beziehungen mit übernehmen müßten, in denen er schon mit seinem richtigen Namen genannt worden ist. Aber auch der Familienname, der uns wie durch Zufall aufgenötigt ist, kann zum Schicksal werden. Künstler, Staatsmänner und Gelehrte haben sich neue Namen gesucht, die ihnen zu ihrem Wesen und ihrem Ziel besser zu passen schienen. Andere haben sich hinter einem Pseudonym versteckt, weil sie im Privatleben nicht verantworten wollten, was sie z. B. als Schriftsteller taten. Es ist recht auffallend, wie verhältnismäßig wenige Menschen mit »Dutzendnamen« wie Müller, Smith oder Dupont Weltruhm erlangen konnten. Ohne den geborgten Ruhm seines Onkels hätte Napoleon III. wohl kaum eine Chance gehabt. Von den Namen erscheint eine magische Wirkung auszugehen. Nach biblischer Überlieferung hat es Gott den Menschen überlassen, die Tiere um sich her zu benennen und sie sich eben dadurch untertan zu machen. Es gibt mehrere Märchen, in denen die Kenntnis eines Namens die Macht über seinen Träger – z. B. einen Geist – bedeutet. Umgekehrt scheint manchmal der Name eines Menschen eine Art Zwang auf seinen Träger auszuüben, nach diesem Namen zu leben. Ist es wirklich nur ein Zufall, daß der Psychologe, dessen Lehre zum Mittelpunkt die Lust hat, Freud hieß, und es gerade sein Schüler namens Adler war, der an ihre Stelle die Macht gesetzt hat?

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