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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Ehe

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

die durch Gesellschaft und Gesetz geschützte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau. Vielleicht geht die Einrichtung der Ehe darauf zurück, daß sich die menschliche Sexualität von der Beschränkung auf eine »Brunstzeit« löste und nun ständig wirksam ist, so daß ein Interesse entstand, sich dauerhaft mit einem Sexualpartner zu verbinden. Für die Gesellschaft entscheidend ist es jedoch, daß die Ehe als Grundstock der Familie den Nachwuchs, dessen Betreuung und Erziehung bis zur sozialen Reife sichert. So wurden Ehen meist eher im Interesse der Sippe, der Schicht oder des Volkes arrangiert als nach der Liebeswahl der Partner. Man vertraute auf gewisse Gemeinsamkeiten der Eheleute, wenn sie ähnlicher Herkunft waren, und darauf, daß sie den traditionellen Sitten folgen, im Zusammenleben Verständnis füreinander und Rücksicht aufeinander entwickeln würden: »die Liebe kommt später«. Im Laufe der Zeit und in den verschiedenen Kulturen haben sich unterschiedliche Eheformen entwickelt. In der Gruppen-Ehe haben sich mehrere Männer mit mehreren Frauen verbunden, so daß trotz der Bindung doch auch der Unstetheit der sexuellen Anziehungskraft noch entsprochen wurde. Meist war die Polygamie (Vielehe) eine Polygynie (Vielweiberei). Diese Eheform, die im Orient so verbreitet ist, wird der Tatsache gerecht, daß ein Mann sehr viel mehr Kinder zeugen kann, als eine einzige Frau gebären könnte. Einen »Harem« konnten sich jedoch immer nur Männer der Oberschicht leisten, und die Polygynie sollte denn auch gerade für diese Schicht reichen Nachwuchs sichern. Relativ selten (und in keiner der Hochkulturen) gab es eine »Polyandrie« oder Vielmännerei. Die lebenslängliche Einehe (Monogamie), die die Kultur des christlichen Abendlandes bestimmte, bedeutet eine Triebeinschränkung. Die Sexualität ist ja kein dauerhaftes Phänomen, sondern wird durch spontane Reize entflammt und durch Gewohnheit gedämpft. Da die Ehewahl selten der sexuellen Anziehung folgen konnte, da die Eheschließung an das Erreichen eines bestimmten sozialen Status gebunden und deshalb erst lange nach der Geschlechtsreife möglich war, da sich nach längerer Ehe das Nachlassen der sexuellen Spannkraft beim Manne mit dem Nachlassen der sexuellen Reize einer alternden Frau summiert, ergab sich aus der Ehe als Institution ein gewisser Mangel an sexueller Befriedigung. Entlastungssitten (wie der Karneval) und Entlastungsinstitutionen wie die Prostitution sollten für einen teilweisen Mängelausgleich sorgen, in erster Linie im Interesse des Mannes. Trotz ihrer Mängel ist die Monogamie die einzige Eheform, die zu einer innigen und verläßlichen persönlichen Beziehung zwischen den Partnern führen kann. Die Beziehung der Kinder zu dem einen Vater und der einen Mutterermöglicht es ihnen, ein Vorbild sowohl für das eigene wie für das andere Geschlecht zu finden und ein Gewissen (Über-Ich) zu entwickeln, nach dessen Maßstäben sie sich richten können (Innenlenkung). Freilich liegt eine andere Schwierigkeit der Ehe darin, daß sie verschiedenen Aufgaben gleichzeitig dienen muß. Sie ist ja als Lebensgemeinschaft nicht nur eine Sexual oder Erziehungs-, sondern auch eine Wohn-und eine Wirtschaftsgemeinschaft. Der Mann muß meist zugleich Ernährer, Haushaltsvorstand, Vater und Liebhaber sein; die Frau Verwalterin, Hausfrau, Mutter und Liebhaberin. Es kommt zu Rollen-Konflikten, und die eine oder andere Funktion wird vernachlässigt. Meist wird zuerst die sexuelle Harmonie beeinträchtigt. Deshalb werden gelegentliche »Seitensprünge« aus bloß sexueller Neugier oft nicht allzu schwer genommen. Gefährlicher für die Ehe ist das Gefühl, aneinander gekettet zu sein. Oft wird die Ehe zum Schauplatz ständiger Kämpfe um Vormacht und Vorrecht. Bei Unstimmigkeiten sucht dann jeder die Schuld nur beim anderen und sieht nicht die eigenen Versäumnisse und Verfehlungen. Der eine will den anderen nach einem vorgefaßten Muster prägen, statt sich auf die wirklichen Eigenschaften und Möglichkeiten des Partners einzustellen. Solche Entwicklungen liegen meist schon in der Liebeswahl begründet, die so oft unbewußten Wunschvorstellungen und Komplexen folgt statt einer bewußten, vernünftigen Erkenntnis. Ist jeder Partner zu Verzichten und zur Rücksicht auf das Wesen des anderen bereit, kann aus der Verbindung zweier Menschen eine »Sym biose« werden. Sie entwickeln sich aufeinander zu, gleichen einander allmählich an, und alles, was sie erleben, ist aufeinander bezogen. Diese ideale Möglichkeit wird in der Legende von »Philemon und Baucis« veranschaulicht, dem altgewordenen Paar, das durch die Gunst des Göttervaters gemeinsam sterben durfte und in zwei eng benachbarte Bäume verwandelt wurde. Die Ehe, gesellschaftlich gesehen eine Institution oder ein Status, ist psychologisch eine Aufgabe, die zu meistern vielleicht wichtiger wäre als die Aufgaben, die das Berufsleben stellt. Sie ist zugleich eine Aufgabe, die nur von beiden Partnern aufeinander-zu gelöst werden kann. Ehre, sowohl das Ansehen, das man bei anderen genießt, als auch die innere Verpflichtung, die man einem bestimmten Ideal gegenüber empfindet. Das Ansehen ist weitgehend an die soziale Stellung gebunden und bezieht sich auf die Sitten und Wertvorstellungen einer bestimmten Schicht. Es wird gern durch Äußerlichkeiten ausgedrückt wie »Orden und Ehrenzeichen« oder Titel. In dem Maße, in dem eine ständische Ordnung durch eine egalitäre Gesellschaft ohne starre Klassengrenzen abgelöst wurde, gewann die Unbescholtenheit eines jeden Bürgers an Wert, und die »bürgerlichen Ehrenrechte« werden jetzt allgemein durch das Gesetz gegen Verleumder oder »Ehrabschneider« geschützt. Wenn jemand sein »Ehrenwort« ver pfändet, beruft er sich darüber hinaus auf seine persönliche Unantastbarkeit. Was »mir meine Ehre verbietet«, widerspricht meinen eigenen Vorstellungen von Anstand und Würde. Hier nähert sich die Ehre der Ehrlichkeit, obwohl man oft dadurch, daß man »der Wahrheit die Ehre gibt«, eher an Sympathie verliert als gewinnt. So schwankt der Begriff der Ehre zwischen einer Anpassung an die Regeln der Umwelt und einer Behauptung der eigenen Persönlichkeit.

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