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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Abwehr

Autor
Autor:
Werner Eberlein

Abwehr von Widrigkeiten und Gefahren geschieht oft statt durch Handlungen – die tatkräftige Änderung. Kann mau sich unempfindlich machen, sich »abstumpfen«. Von Mitmenschen, die man als unzuverlässig oder gar feindlich erlebt, kann man sich isolieren. So will man sich von ihrer Liebe unabhängig machen, sich ihrem Einfluß entziehen, ihrem Haß entgehen. Damit schränkt man freilich seine eigenen Lebensmöglichkeiten wesentlich ein. Die gefährlichste Form der psychischen Abwehr ist die Verleugnung der unangenehmen Realitäten. Man sieht nicht mehr, was man nicht sehen will, »weil nicht sein kann, was nicht sein darf«. Gefahren drohen dem Menschen aber nicht nur aus der Natur und von den Mitmenschen, sondern auch aus seinem eigenen Wesen. Unsere Wünsche und Ängste können uns zu Taten hinreißen, mit denen wir uns schaden. Gegenüber diesen Impulsen, die aus unserem Triebleben kommen, dem Es, hat unser Ich als die Instanz, die der äußeren Realität zugewandt ist, eine Reihe von Abwehr-Mechanismen entwickelt. Mit der Sublimierung werden Triebimpulse auf Ziele abgelenkt, die ungefährlich und sozial anerkannt sind. Für manche Wünsche findet man eine Rationalisierung, d. h. man entdeckt für sie einen nützlichen Sinn, der ihre Erfüllung rechtfertigt. Triebregungen, die besonders stark abgelehnt werden, lösen Reaktionsbildungen aus. Sie werden dann geradezu um Wunscherfüllungen genährt. Dazu dienen Fetische, Amulette, Talismane und Maskottchen. Auch gibt es Abwehr-Handlungen wie »auf Holz klopfen« und Vermeidungs-Gebote wie »nicht bereden« und die Scheu vor bestimmten Tagen (Freitag) oder Zahlen (13). Meist handelt es sich hierbei um psychologisch oder sonst in der Erfahrung begründete Zusammenhänge, deren Sinn aber längst vergessen ist. So kann man sich tatsächlich durch das »Bereden« in eine unbegründete Erwartung steigern, die als Angst unsicher macht, als Hoffnung die Enttäuschung zur Folge hat. Daß man z. B. nicht drei Zigaretten am selben Streichholz anzünden soll, stammt aus der Erfahrung in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges, in denen der lange Feuerschein dem Feinde ein Ziel bot; aber wenn man an dieser Vermeidung auch in ganz anderen Situationen wie an einem Tabu festhält, wird sie zum Ausdruck eines Aberglaubens. Ähnlich wie der Glaube von Sekten bietet der Aberglaube gegenüber dem kirchlichen Glauben den psychologischen Vorteil, daß man gleichsam an einer geheimen Gemeinschaft teil hat, die ihre besonderen Vorstellungen ernster nimmt und mit mehr Feierlichkeit beschwört. Der Aberglaube vermittelt ein Geborgenheits-Gefühl, bei dem die Beziehung zur Realität keine Rolle spielt. Ablösung, die gefühlsmäßige Überwindung einer Gebundenheit, die äußerlich bereits an Bedeutung verloren hat oder sogar überhaupt nicht mehr besteht. Die schwierigste Ablösung ist gewöhnlich die eines erwachsen gewordenen Kindes von seinen Eltern. Die Aufnahme in neue, größere Gemeinschaften, etwa die Schule oder in Männerbünde und oft auch besondere Einweihungsriten sollen diese Entwicklung unterstützen. Aber noch lange, nachdem ein selbständiges Leben begonnen hat, wirken die alten Einflüsse nach. Die Lehren und Vorbilder der Eltern sind verinnerlicht worden. Sie haben entscheidend zum Aufbau des Gewissens beigetragen, das als Über-Ich eine Kontrolle ausübt, deren man sich weitgehend unbewußt ist. Ein anderes Beispiel für die Schwierigkeiten der Ablösung findet sich bei vielen Menschen, die sich mit dem Verstand längst von der Religion losgesagt haben und doch von deren Glaubenssätzen, Zeremonien und Traditionen immer wieder gefühlsmäßig stark angesprochen werden. Eine Ablösung muß auch am Ende einer Psychotherapie stehen. Im Verlaufe einer solchen Kur entsteht unvermeidlich eine starke Bindung des Patienten an seinen Arzt; oft wird diese Übertragung sogar absichtlich gefördert, weil ihre Kraft wesentlich zur Heilung beitragen kann. Aber nur wenn diese Übertragung abgebaut wird, kann der bisherige Patient sein Leben selbständig meistern. Abstinenz, der willentliche Verzicht auf bestimmte Lebensgenüsse wie etwa Alkohol oder sexuelle Befriedigung. Ist die Enthaltsamkeit religiös oder weltanschaulich begründet, spricht man von Askese. Besonders das Fasten und die sexuelle Entsagung sind von vielen Religionen als Mittel zu seelischer Umstimmung empfohlen oder sogar gefordert worden. Durch solche Verzichte soll man sich von der Macht der Triebe befreien, ihre Energien auf höhere Aufgaben umlenken (vgl. Sublimierung). Längere Entsagung löst manchmal ekstatische oder visionäre Zustände aus, die dann doch eine verschobene Triebbefriedigung bieten. Besonders wichtig wurde die Abstinenz vor kritischen Situationen genommen, so bei manchen Naturvölkern vor der Jagd oder der Stammesfehde, oder auch in Zusammenhang mit Menstruation und Schwangerschaft, oder endlich als Ausdruck der Trauer und der Reue. So hat die Fastenzeit vor dem Osterfest mit der Erbsünde zu tun, die Christus am Kreuz für alle seine Anhänger gesühnt haben soll, und mit der Trauer um seinen Tod. Vorgeschrieben war Enthaltsamkeit vielfach für Seher und Priester, so noch heute im Zölibat der katholischen Kirche und im Keuschheitsgelübde ihrer Mönche und Nonnen. Andererseits kann zeitweise Abstinenz nach ihrem Ablauf den Genuß an all dem, was man sich versagt hatte, unerhört steigern. Abwehr von Widrigkeiten und Gefahren geschieht oft statt durch Handlungen – die tatkräftige Änderung der Umstände oder auch die Flucht – durch innerseelischen Rückzug. Bis zu einem gewissen Grade kann man sich gegen äußeres Leiden unempfindlich machen, sich »abstumpfen«. Von Mitmenschen, die man als unzuverlässig oder gar feindlich erlebt, kann man sich isolieren. So will man sich von ihrer Liebe unabhängig machen, sich ihrem Einfluß entziehen, ihrem Haß entgehen. Damit schränkt man freilich seine eigenen Lebensmöglichkeiten wesentlich ein. Die gefährlichste Form der psychischen Abwehr ist die Verleugnung der unangenehmen Realitäten. Man sieht nicht mehr, was man nicht sehen will, »weil nicht sein kann, was nicht sein darf«. Gefahren drohen dem Menschen aber nicht nur aus der Natur und von den Mitmenschen, sondern auch aus seinem eigenen Wesen. Unsere Wünsche und Ängste können uns zu Taten hinreißen, mit denen wir uns schaden. Gegenüber diesen Impulsen, die aus unserem Triebleben kommen, dem Es, hat unser Ich als die Instanz, die der äußeren Realität zugewandt ist, eine Reihe von Abwehr-Mechanismen entwickelt. Mit der Sublimierung werden Triebimpulse auf Ziele abgelenkt, die ungefährlich und sozial anerkannt sind. Für manche Wünsche findet man eine Rationalisierung, d. h. man entdeckt für sie einen nützlichen Sinn, der ihre Erfüllung rechtfertigt. Triebregungen, die besonders stark abgelehnt werden, lösen Reaktionsbildungen aus. Sie werden dann geradezu um gekehrt; aus Schmutzliebe wird Pedanterie, aus Grausamkeit wird Mitleid. Auch Schwächen werden durch eine besondere Anstrengung »überkompensiert«, wie das Alfred Adler im Zusammenhang mit seiner Auffassung vom Minderwertigkeitskomplex ausgedrückt hat. Eine Art Flucht stellt die Regression dar, die gefühlsmäßige Wiederbelebung eines früheren Zustandes, vor allem der früheren Kindheit. Oft versucht man, die inneren Konflikte einfach zu leugnen und Kränkungen des Selbstgefühls zu »vergessen«. Aber mit der Verdrängung wird keine Schwierigkeit überwunden; sie wird nur ins Unbewußte abgeschoben, wo sie unkontrollierbar und unbeeinflußbar weiterschwelt.Ausdruck der Psychoanalyse, deren Begründer Sigmund Freud davon ausging, daß aus dem Es stammende Triebwünsche dann abgewehrt werden, wenn ihre Verwirklichung durch die Außenwelt mit Strafen bedroht ist (etwa der Wunsch eines Kindes, sexuell über die Mutter zu verfügen). Die Abwehr ist eine wichtige Funktion des Ich, jener seelischen Instanz, die zusammen mit dem Über-Ich für die Anpassung an die Wirklichkeit sorgt. Abwehrmechanismus

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