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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Ziele

Autor
Autor:
Katharina Weinberger





Ziele beinhalten das, was Menschen aufgrund eigener Vornahmen oder fremder Vorgaben zu erreichen suchen. Sie geben dem menschlichen Handeln die Richtung vor, steuern Auswahl und Einsatz der physischen und psychischen Leistungsvoraussetzungen (Leistung), die zur Zielerreichung notwendig sind, beeinflussen die Ausdauer bei der Zielverfolgung und sind dadurch auch verantwortlich für den Zeitpunkt eines Handlungswechsels (Hacker, 1983). Persönliche Ziele sind Indikatoren für die Motivation von Menschen.



Entstehung von Zielsetzungen

Entscheidend für die Wirksamkeit von Zielen ist, auf welche Weise die Ziele zustande gekommen sind. Es werden drei Möglichkeiten unterschieden: 1) Interne Zielsetzung: Der Handelnde setzt seine Ziele eigenständig, indem er sie unbeeinflußt von anderen auswählt und dann auch in eigener Verantwortung zu erreichen sucht; ein solches Vorgehen läßt sich im privaten Bereich relativ leicht, im beruflichen Bereich bei einem großen Handlungsspielraum verwirklichen. 2) Externe Zielsetzung: Dem Handelnden werden Ziele verbindlich vorgegeben, die andere für ihn festgelegt haben; er kann diese Ziele akzeptieren oder ablehnen. 3)Kooperative Zielsetzung: Zwei oder mehrere Personen interagieren, um gemeinsam ein Ziel für andere zu finden; die Kooperation führt zu einer großen Akzeptanz der Ziele durch alle Beteiligten, da sich persönliche Ziele und Gruppenziele nicht widersprechen. Persönliche Ziele entstehen immer durch das Zusammenwirken von persönlichen Motiven mit den Motivierungspotentialen der Situation (Kleinbeck, 1996). Wie Abb. 1 zeigt, werden persönliche Zielsetzungen von der durch die Interaktion zwischen Motiven und Motivierungspotentialen entstandenen Motivation beeinflußt. Diese Zielsetzungen bestimmen Auswahl und Einsatz der dem Menschen für sein Handeln zur Verfügung stehenden Leistungsvoraussetzungen (Fähigkeiten und Fertigkeiten), seine Handlungsstrategien, das Ausmaß seiner Anstrengung, seine Ausdauer und auch seinen Handlungswechsel.

In Untersuchungen zur Theorie der Umsetzung von Zielen in Handeln hat sich ein Wirkfaktor als sehr bedeutsam erwiesen, ohne den sich die beobachtete Wirkung von Zielen auf das Handlungsergebnis kaum erklären läßt: die Rückmeldung von Handlungsabläufen und -ergebnissen (Locke & Latham, 1990). Rückmeldungen werden um so wirkungsvoller, je genauer sie den Handelnden über das Ergebnis seiner einzelnen Handlungsschritte auf dem Weg zum Ziel informieren und je besser sie ihn dabei unterstützen, seine Aktivitäten richtig einzuschätzen. Exakte Rückmeldungen über den Handlungsverlauf geben Auskunft darüber, ob man seine geplanten Vorgehensweisen und Handlungsstrategien beibehalten kann oder ob sie im Hinblick auf eine problemlose und schnelle Zielerreichung verändert werden müssen; die Ergebnisrückmeldung gibt dann Auskunft darüber, ob das Ziel erreicht ist und nun deaktiviert werden kann.



Von der Zielsetzung zur Zielerreichung

Spezifische Zielsetzungen mit einem relativ hohen Anspruch an die Leistungsfähigkeit des Handelnden sind in ihrer Effektivität bedeutsamer als solche, die lediglich aus unpräzisen Vorgaben bestehen wie z.B.: der Vorsatz, sich mehr anzustrengen oder sich weniger ablenken zu lassen. Konkrete und klare Zielsetzungen ermöglichen eine viel exaktere Handlungsstrukturierung und tragen auch dazu bei, daß Zielkonflikte vermieden werden. Zielsetzungen richten also das Handeln aus und halten es in Gang. Dabei beeinflußt eine Reihe von Moderatoren (wie z.B. die Rückmeldung) den Handlungsverlauf in positiver Weise . Auch der Zielbindung kommt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Bedeutung zu. Von ihrer Stärke hängt die Dauer des zielorientierten Handelns ab. Verfügt der Handelnde über eine stark ausgeprägte Zielbindung, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß er sein gesetztes Ziel erreicht, selbst wenn unvorhergesehene Hindernisse und unerwartete Schwierigkeiten einen verstärkten oder veränderten Leistungseinsatz erforderlich machen.



Bedingungen der Zielbindung

Die Zielbindung selbst unterliegt in ihrer Stärke vor allem der Beeinflussung durch Motivationsveränderungen, die durch veränderte Motivierungspotentiale zustande kommen können und durch das Vertrauen des Handelnden in die eigene Tüchtigkeit. Sobald sich Handlungssituationen so verändern, daß sich dadurch neue, zuvor nicht vorhandene Motivierungspotentiale ergeben, die zusammen mit den bei einer Person vorhandenen Motiven neue Motivationszustände bewirken, kann es zu einer Lockerung, aber auch zu einer Verstärkung der persönlichen Bindung an die handlungsauslösenden Zielsetzungen kommen. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Stärke der Zielbindung ist das von Bandura (1997) beschriebene Vertrauen in die eigene Tüchtigkeit (self-efficacy). Dabei handelt es sich um ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal, das bei verschiedenen Personen unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Zeichnet sich jemand durch ein starkes Zutrauen zur eigenen Leistungsfähigkeit aus, dann bringen ihn auch Hindernisse und Mißerfolge nicht von seinem Bemühen um eine Zielerreichung ab, d.h., er bleibt trotz möglicher Fehlschläge bei seinen Vornahmen und fühlt sich auch weiterhin an sie gebunden. Personen, die weniger von ihrer Tüchtigkeit überzeugt sind, neigen hingegen viel leichter dazu, ihre Zielbindung zu lockern oder ganz aufzugeben, weil sie sich eine Zielerreichung einfach nicht zutrauen.

Der dritte Moderator, der den Umsetzungsprozeß von Zielen in Handlungen und somit auch die Erreichung des Ziels beeinflußt, beinhaltet Zielverfolgungsstrategien (Brandtstätter & Renner, 1988). Zu ihnen gehören die hartnäckige Zielverfolgung und die flexible Zielanpassung sowie Planungsneigung und -weite. Sie bestimmen den Umfang, in dem Handlungsteilziele und -pläne an sich verändernde Bedingungen angepaßt werden, ohne daß dabei das große Ziel aufgegeben wird. Eine Verwirklichung gesetzter Ziele durch Handlungen erfordert nicht nur kognitive und motivationale Prozesse, sondern auch die Fähigkeit, Handlungen im vorhinein zu planen und die Erreichung von Teilzielen zu kontrollieren. Vorausschauendes Planen von Handlungen und Festlegen ihrer Reihenfolge erhöhen die Sicherheit bei der Handlungsdurchführung und tragen dazu bei, Fehler zu vermeiden. Personen mit einer großen Handlungskompetenz erreichen die gesetzten Ziele eher, weil sie nicht nur über die erforderlichen Fähigkeits- und Wissensmerkmale verfügen, sondern auch Kenntnis von effektiven Planungs- und Problemlösungsstrategien haben, da nicht nur handlungsvorbereitende, sondern auch handlungsbegleitende Planungsprozesse der Realisierung von Zielen dienlich sind. Das erklärt auch die große Wirksamkeit von Rückmeldungen über das Ergebnis einzelner Handlungsschritte.



Phasen zielgerichteten Handelns

Durch die motivationalen Prozesse beim Handelnden werden die Mediatoren der Zielbindung – Handlungsausrichtung und Ausdauer beim Handeln – beeinflußt. Ihre Grundlagen entstehen in der Vorentscheidungsphase mit dem Abwägen von unterschiedlichen Wünschen und dem Entwickeln und Setzen von Zielen. Dabei entscheidet sich schon zum Teil, mit wieviel Energie und Ausdauer man das Erreichen der gesetzten Ziele anstreben wird. In der anschließenden Nachentscheidungsphase finden solche Willensprozesse (Wille) statt, die die Initiierung und Realisierung der gesetzten Ziele unterstützen. Doch erst in der Ausführungsphase einer Handlung entscheidet sich, ob die gesetzten Ziele auch wirklich erreicht werden und wenn ja, auf welche Weise. Hier finden die Prozesse der Handlungsausführung und -kontrolle statt, bei denen erneut auch Phasen der Planung von Teilschritten zu beobachten sind, die die Realisierung der Zielerreichung unterstützen. Auftauchende Willensprobleme können in dieser Phase durch ein verstärktes Bemühen im Sinne von Hartnäckigkeit und Ausdauer überwunden werden. Die Bewertungsphase ist die vierte und letzte Phase von Handlungsprozessen. In ihr wird das Handlungsergebnis durch den Vergleich mit den gesetzten Zielen und den ursprünglichen Ausführungsvornahmen bewertet. Diese Bewertung hat eine zielbezogene Verhaltensregulierung zur Folge, die – je nach Bewertungsergebnis – eine Zieldeaktivierung, verbunden mit einem Handlungswechsel und einer Neuorientierung, bewirkt, oder aber auch ein Zurückgehen zu einer vorherigen Handlungsphase mit der Absicht, erneut die geplante Zielerreichung anzustreben (Heckhausen, 1989).

Literatur

Bandura, A. (1997). Self-efficacy – The Exercise of Control. New York: W.H. Freeman & Co.

Brandtstätter, J. & Renner, G. (1988). Hartnäckige Zielverfolgung und flexible Zielanpassung: Zur Explikation und altersvergleichenden Analyse assimilativer und akkommodativer Kontroll- und Bewältigungsstrategien. Bericht der Arbeitsgruppe „Entwicklung und Handeln“, Fachbereich Psychologie, Universität Trier. Nr. 28.

Hacker, W. (1983). Ziele - eine vergessene Schlüsselvariable? Zur antriebsregulatorischen Tendenz von Tätigkeitsmerkmalen. Psychologie für die Praxis, 2, 5-26.

Heckhausen, H. (1989). Motivation und Handeln (2. Auflage). Berlin: Springer.

Kleinbeck, U. (1996). Arbeitsmotivation - Entstehung, Wirkung und Förderung (unter Mitarbeit von Trudi Kleinbeck). Weinheim: Juventa.

Locke, E.A. & Latham, G.P. (1990). A theory of goal setting and task performance. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice Hall.

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