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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Bedürfnispyramide

Autor
Autor:
Katharina Weinberger

Bedürfnispyramide, ein hierarchisches Konzept menschlicher Bedürfnisse, das insbesondere bei der Beschäftigung mit Fragen der Arbeitsmotivation immer wieder zu lebhaften Kontroversen geführt hat (Abb.). A. Maslow legte dieses Konzept bereits in den fünfziger Jahren vor und wandelte es dann verschiedentlich leicht um. Ursprünglich entstand es aus experimentalpsychologischen und klinischen Befunden, fand dann aber schnell Eingang in die Arbeits- und Organisationspsychologie.

Die physiologischen Bedürfnisse der untersten Ebene stellen elementare Motive nach Nahrung, Sauerstoff, Schlaf etc. dar; sie werden als körperliche Mangelzustände erlebt und sind leicht erkennbar. Ausdruck der Sicherheitsbedürfnisse sind das Verlangen nach Beständigkeit, Einsicht in Zusammenhänge, nach Schutz und körperlicher Unversehrtheit. Im Alltag der Industriestaaten sind diese Motive im Normalfall erfüllt und treten nur in Extremsituationen bei äußerer Bedrohung auf. In kulturspezifischer Überformung sind sie aber auch hier gegenwärtig. So äußert sich etwa das Sicherheitsbedürfnis im Wunsch nach einem langfristigen Arbeitsvertag, im Abschluß einer Vielzahl von Versicherungen, Geldanlagen etc. Wesentliche soziale Bedürfnisse sind das nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und der Wunsch, auf andere sympathisch zu wirken. Zur Wertschätzung werden die Wünsche nach Erfolg, Unabhängigkeit und Kompetenz gerechnet, die zu einer Stärkung des Selbstwertgefühls beitragen können. Aber auch externe Bestätigungen rechnen dazu, etwa Prestige, Einfluß und Status. Das interessanteste Konzept der Pyramide steht in ihrer Spitze. Maslow nennt es Selbstverwirklichung (self-actualization needs) und versteht darunter das Verlangen eines Menschen, seine potentiellen Fähigkeiten optimal zu entfalten.

Die Nichtbefriedigung der vier unteren Bedürfnisebenen führe zu einem Mangelzustand, weshalb die dort angesiedelten Motive auch als "Defizitmotive" bezeichnet werden; das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung dagegen wird von Maslow als "Wachstumsmotiv" verstanden.

Die Konzeption der Bedürfnisse als Pyramide ist mit einer Hierarchie verknüpft: Motive einer höheren Ebene werden erst aufgerufen, wenn die darunter befindlichen Bedürfnisse in einem gewissen Ausmaß befriedigt sind. Es gibt eine Vielzahl einzelner Untersuchungen, die sich mit der Konzeption der Bedürfnispyramide schlecht vertragen. Indes ist es auch mehr ihre heuristische Fruchtbarkeit als ihre formale Korrektheit als theoretisches Gebäude, aus der Nutzen gezogen werden konnte. So stehen viele andere Ansätze im Bereich der Arbeitsmotivation durchaus in der Tradition dieses Grundmodells. Neben der Bedeutung des Konzepts für die Weiterentwicklung theoretischer Vorstellungen war aber insbesondere wichtig, den Aspekt der Selbstverwirklichung in die Diskussion mit betrieblichen Akteuren hineinzutragen.

Zumindest bei Maslow selbst bleibt das zentrale Konzept der Selbstverwirklichung sehr verschwommen. Dagegen gibt es auf der anderen Seite in der heutigen Praxis sehr wohl Motivierungsansätze, die gute Operationalisierungen darstellen können. Beispiele sind überall dort zu finden, wo das Wort von den "Betroffenen" die Runde macht, die zu "Beteiligten" werden, denen sich also arbeitsbezogene Planungs-, Gestaltungs- oder Entscheidungsmöglichkeiten eröffnen.

Deutlich ist in Maslows Ansatz ein humanistisches Anliegen (Humanistische Psychologie); er läßt sich nicht nur von einem gegebenen, sondern auch stark von einem Sollverhalten leiten, das auf die Kultivierung von Fähigkeiten wie Kreativität, Verantwortung und Autonomie setzt. Eine solche persönlichkeitszentrierte Auffassung vernachlässigt nach Meinung seiner Kritiker die situative Komponente im Betrieb sowie die sozialen und ökonomischen Randbedingungen.

Literatur

Heckhausen, H. (1980). Motivation und Handeln. Berlin: Springer.

Weiner, B. (1984). Motivationspsychologie. Weinheim: Beltz.


Beeinflußbarkeit1Beeinflußbarkeit , behavioral control, eine mögliche Form der kognizierten Kontrolle (Kontrolle, kognizierte). Beeinflußbarkeit besteht, wenn eine Person die Möglichkeit wahrnimmt, ein Ereignis oder dessen Folgen durch ihr Verhalten modifizieren zu können.

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