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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Bettelheim

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

Bettelheim, Bruno, 1903-1989, österreichisch-amerikanischer Psychologe, interessierte sich schon als Jugendlicher für Psychoanalyse und studierte in Wien Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie. Da eine psychoanalytische Dissertation nicht möglich war, promovierte er über Kants Kritik der Urteilskraft. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich wurde er 1938 verhaftet, in die Konzentrationslager Dachau bzw. Buchenwald gebracht, die er nach einem Jahr wieder verlassen konnte. Danach wanderte er in die USA aus, wo er nach beruflichen Startschwierigkeiten in Chicago zunächst Assistent, dann Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde (u.a. Lehrer Lawrence Kohlbergs). Bettelheim befaßte sich mit Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen, wobei er eine Diathese-Streß-Theorie zugrundelegte und der Ansicht war, es komme zu diesen Störungen, wenn eine Prädisposition und ein ungünstiger elterlicher Erziehungsstil zusammentreffen. Ferner äußerte er sich zur Ätiologie des frühkindlichen Autismus: Er vergleicht die Situation des autistischen Kindes mit der apathischen, hoffnungslosen Lage inhaftierter Lagerinsassen. Das Kind nimmt die Gefühle seiner zurückweisenden Eltern wahr und stellt fest, daß sein Verhalten nicht adäquat beantwortet wird. Dies nährt seinen frühen Eindruck, in einer an ihm nicht interessierten Welt keine Akzente setzen zu können. Daher tritt es nicht in Kontakt mit ihr, sondern verschanzt sich gegen sie im Autismus, um Schmerz bzw. Enttäuschung zu vermeiden. Bettelheim vertrat deshalb ein Interventionskonzept, das dem Kind eine warme, liebevolle Atmosphäre vermittelt und es somit ermutigt, sich auf das Wagnis "Beziehung mit der Umwelt" einzulassen. Da die Beobachtungen allerdings nicht unter experimentell kontrollierten Bedingungen gemacht wurden, läßt sich über die angeblichen Behandlungserfolge wenig aussagen. Nach einem Schlaganfall nahm sich Bettelheim in einem Altenheim das Leben.

Literatur

Davison, G.C. & Neale, J.M. (1996). Klinische Psychologie (4. Aufl.). Weinheim: Psychologie Verlags Union.

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