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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Angstappelle

Autor
Autor:
Sonja Margarethe Amstetter

Angstappelle, auch: fear appeals, threat appeals, sollen neben der Vermittlung von Informationen über die objektive Gefährdung auch Gefühle der Angst und Furcht erzeugen, wodurch eine Einstellungs- und Verhaltensänderung bewirkt werden soll. Die frühen Anti-Raucher-Kampagnen versuchten beispielsweise, die Risikoinformation "Rauchen schadet Ihrer Gesundheit" in Kombination mit Bildern von schwarzen Lungen, Grabsteinen und Skeletten wirkungsvoll zu unterstreichen (Abb.).

Witte (1992) umschreibt diese Strategie mit "scaring people into changing their behaviors", und Sutton (1992) bezeichnet sie als "Schocktaktik". Heute rufen derartige drastische Kampagnen Kritik hervor, allerdings nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch, weil die Wirksamkeit von Angstappellen in Frage gestellt wird. Dies bedeutet jedoch nicht, daß heutzutage in der Praxis auf angsterzeugende Informationen verzichtet wird. Vielmehr werden diese in moderaterem Format im Rahmen der Gesundheitsaufklärung und in Arzt-Patienten-Gesprächen (Arzt-Patient-Beziehung) weiterhin zur Anwendung gebracht.

Die theoretischen Vorstellungen zur Wirkung von Angstappellen können drei verschiedenen Kategorien zugeordnet werden.

- In den 50er und 60er Jahren dominierten die sogenannten "fear drive"-Modelle.

- Diese Modellvorstellungen wurden in den 70er Jahren abgelöst von dem "Parallel Response Model".

- Und schließlich wurden in den späten 70er und frühen 80er Jahren verschiedene Gesundheitsverhaltensmodelle entwickelt oder adaptiert, wie beispielsweise das "Health Belief Model" oder die "Protection Motivation Theory" .

Diese sehen in der hervorgerufen Angst bzw. Furcht nur ein Epiphänomen, das weder eine notwendige noch hinreichende Bedingung für eine Einstellungsveränderung darstellt. Fear drive-Modelle hingegen sprechen der induzierten Furcht eine zentrale kausale Bedeutung zu. Angenommen wird, daß Verhaltensweisen, die die empfundene Angst angesichts von Risikoinformationen reduzieren, später bevorzugt gezeigt werden. Angenommen wird ferner ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang, wobei die Furchtinduktion am wirksamsten sein sollte, wenn sie ein moderates Ausmaß erreicht, jedoch wirkungslos, wenn sie keine oder zu intensive Gefühle von Angst bewirkt. Diese Annahme konnte empirisch nicht bestätigt werden. Vielmehr besteht ein schwacher linearer Zusammenhang: je höher die induzierte Furcht ist, desto größer ist das Ausmaß der Einstellungsveränderung. Eine Meta-Analyse von 25 Studien (mit insgesamt 3.892 Untersuchungsteilnehmern) erbrachte eine mittlere Korrelation von r = .21 zwischen Angstappell und Einstellung. Auch in einer weiteren Meta-Analyse fand sich nur ein einfacher linearer Zusammenhang: Die relativ geringe mittlere Effektstärke von Z = 5.19 verweist darauf, daß Angstappelle zwar eine gewisse Veränderung in der Wahrnehmung der eigenen Gefährdung bewirken können, diese aber offenbar nur gering bis moderat sind. Ferner dauern diese günstigen Einstellungsänderungen meist nur ein bis zwei Tage an. In neueren Studien wird deshalb zum größten Teil darauf verzichtet, ein hohes Ausmaß an Angst zu erzeugen, um eine Einstellungs- und Verhaltensänderung zu bewirken, sondern mit Hilfe von gezielten Sachinformationen (information appeals) und einer konstruktiven Ressourcenkommunikation wird versucht, protektives Verhalten anzuregen.

Literatur

Barth, J. & Bengel, J. (1998). Prävention durch Angst? Stand der Furchtappellforschung. In Series: Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Renner, B., & Schwarzer, R. (2000). Gesundheit: Selbstschädigendes Handeln trotz Wissen. In H. Mandl & J. Gerstenmaier (Hrsg.), Die Kluft zwischen Wissen und Handeln: empirische und theoretische Lösungsansätze. Göttingen: Hogrefe.

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