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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Persönlichkeitsstörung aus psychoanalytischer Sicht

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

Nichtvorhandensein der relativ konstanten Organisation motivationaler Dispositionen sowie der integrativen und defensiven Anpassungsleistungen in der Interaktion zwischen der inneren Welt eines Menschen und seiner Umwelt: Konstanz, Integration und Anpassung bei der Persönlichkeitsstörung fehlen in unterschiedlichem Ausmaß. Aus psychoanalytischer Sicht gibt es verschiedene Konstrukte, um den Umfang der Störung zu beschreiben, wie z.B. die Entwicklungshöhe der Objektbeziehungen, die sich aus folgenden Komponenten zusammensetzt: Objektkonstanz, Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, Spaltung zwischen gutem und bösem Objekt, Ambivalenztoleranz, Bindungsfähigkeit (Objektbeziehungstheorien). Oder das Angstniveau: Besteht eine archaische Angst vor Objektverlust bis hin zu einer Fragmentierung des Selbst oder eine reifere Angst in Form einer Gewissensangst? Oder das Niveau der Abwehrvorgänge: Herrschen archaische Abwehrmechanismen wie Spaltung, primitive Idealisierung und projektive Identifizierung vor oder höher entwickelte Abwehrmechanismen wie Verdrängung und Reaktionsbildung? Wie ist das Niveau der adaptiven Funktionen beschaffen: Wird die Realitätsprüfung sehr schnell durch projektive und introjektive Vorgänge beeinträchtigt oder existieren eine einigermaßen wirklichkeitsgetreue Selbst- und Fremdwahrnehmung? Welche Autonomie besteht gegenüber dem Gewissen? Ist die betreffende Person von frühen Über-Ich-Dressaten getrieben oder hat sie gegenüber verschiedenen Über-Ich-Impulsen eine gute Autonomie erreicht? Sind primitive Größenphantasien in realistische idealisierte Bilder vom eigenen Selbst und in Ichideal-Inhalte transformiert oder besteht noch immer der Drang, unter dem Einfluß von Größenphantasien zu agieren?

Neben diesen Fragestellungen, die vor allem das erreichte Niveau der Persönlichkeitsintegration zum Thema haben, werden Persönlichkeitsstörungen nach ihren zugrundeliegenden Konflikten und ihren vorherrschenden Konfliktlösungs-modalitäten unterschieden. So spricht man z.B. von narzißtischen, soziopathischen, masochistischen, schizoiden, schizotypischen, depressiven, zwanghaften, hysterischen Persönlichkeitsstörungen. Die klinische Diagnose der Persönlichkeitsstörung, die mittlerweile das ältere Konzept der Charakterneurose ersetzt hat, bezeichnet gegenüber dem traditionellen Konzept der Neurose oder dem neurotischen Konflikt das ungleich größere Ausmaß, in dem Anteile der Persönlichkeit in den oben beschriebenen Dimensionen durch Konflikte und Traumatisierungen beeinträchtigt sind (Klinische Psychoanalyse).

Literatur

McWilliams, N. (1994). Psychoanalytic diagnosis. Understanding personality structure in the clinical process. New York: Guilford Press.


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