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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Spieltheorie

Autor
Autor:
Irene Roubicek-Solms

auf J. v. Neumann und O. Morgenstern (1944) basierende mathematische Analyse strategischer Entscheidungssituationen (Entscheidung). Eine strategische Entscheidungssituation setzt eine Interaktion von mindestens zwei Personen voraus: Alle Personen verfolgen Ziele, deren Erreichung auch von den Entscheidungen der anderen Personen abhängt. Dieser Interdependenz wiederum sind sich alle bewußt. Damit liegt ein soziales Konflikt- oder Koordinationsproblem vor. Die Spieltheorie definiert in derartigen Situationen individuell rationales Verhalten und stellt eine normative theoretische Teildisziplin und formale Sprache aller Sozialwissenschaften dar (Nutzenmaximierung). Mit der Spieltheorie wurde ein kohärentes theoretisches Gebäude für eine Vielzahl von interpersonellen Interaktionen errichtet, das durch einen Abgleich mit experimentellen Ergebnissen weiter ausgebaut werden kann. Anwendungsbereiche liegen z.B. in der Ökonomischen Psychologie (die Spieltheorie hat sich als formale Sprache der Ökonomik durchgesetzt) und in der Sozialpsychologie: Bei Gerechtigkeitsexperimenten wird einer Versuchsperson freigestellt, mit anderen zu teilen, obwohl sich daraus keinerlei Vorteil ziehen läßt (Gerechtigkeitstheorien); Priming-Effekte können die strategische Entscheidung beeinflussen.

1) Stufenspiel: Die allgemeine Form eines Spiels (das Stufenspiel) ist aufgebaut aus der Anzahl von Zeitpunkten (Stufen), zu denen mindestens ein Spieler eine Entscheidung zu treffen hat. Unsichere Ereignisse, z.B. das zukünftige Wetter, können dabei über die Fiktion eines zusätzlichen Spielers, der zufällig handelt, integriert werden. Für jeden Spieler muß definiert werden, welche Entscheidungsmöglichkeiten und Informationen er auf welcher Stufe hat. Für jede mögliche Zugfolge muß schließlich jedem Spieler eine Auszahlung entsprechend seiner subjektiven Wertschätzung zugeordnet werden. Die Zugmöglichkeiten und Informationen auf einer Stufe können dabei von der bisherigen Geschichte des Spiels abhängen. Über die Abhängigkeit der Informationen von früheren Zugfolgen und Informationen kann z.B. Lernen und Vergessen modelliert werden. Nur in Ausnahmefällen lassen sich Stufenspiele vereinfachen und in eine Form bringen, wie sie z.B. bei einem einfachen Nash-Gleichgewicht zu finden ist. Derartigen Spielen ist deshalb überwiegend eine didaktische Funktion beizumessen.

2) Kooperative und nicht-kooperative Spiele: Ein Spiel kann kooperativ oder nicht-kooperativ sein. Diese Unterscheidung basiert nicht etwa auf dem Ergebnis eines Spiels, das man im nachhinein als mehr oder weniger kooperativ einschätzt. Vielmehr basiert sie auf unterschiedlichen Annahmen: Bei kooperativen Spielen wird ohne nähere Begründung angenommen, daß einige Spieler etwaige zwischen ihnen bestehende Koordinationsprobleme oder Konfliktsituationen gelöst haben und als Gruppe (Koalition) betrachtet werden können. Eine Begründung für eine Kooperation und deren Stabilität (z.B. die Entstehung von Konventionen) muß durch die nicht-kooperative Spieltheorie erklärt werden, wofür Spiele mit einer größeren Anzahl von Stufen erforderlich sind. Für die kooperative Spieltheorie existiert eine größere Anzahl von Lösungsmöglichkeiten (z.B. die Nash-Lösung).

Sowohl für kooperative als auch für nicht-kooperative Spiele werden auf Basis von Rationalitäts- und/oder Stabilitätsanforderungen Lösungskonzepte begründet. Das grundlegende, allgemein akzeptierte Konzept der nicht-kooperativen Spieltheorie ist das Nash-Gleichgewicht. Da dieses Konzept für die meisten Spiele allerdings zu viele (oft unendlich viele) Lösungen liefert, wurden selektivere Konzepte entwickelt. Dabei ist dann zu begründen, warum ein bestimmtes Verhalten unter gegebenen Bedingungen als rational anzusehen ist. Typische Anwendungsfelder der nicht-kooperativen Spieltheorie sind z.B. Märkte mit wenigen Anbietern (der Erdölmarkt), das Verhalten in Verhandlungen oder Auktionen und die Entstehung und Stabilisierung von Kooperation. Sie wird mit einem für den jeweiligen Fall wohlausgewählten Lösungskonzept angewandt.

Literatur

Budescu, D. V., Erev, I. & Zwick, R. (Hrsg.) (1997). Games and Human Behavior, Essays in Honor of Amnon Rapoport. Mahwah: Erlbaum

Güth, W. (1999). Spieltheorie und ökonomische (Bei)Spiele. Berlin: Springer.


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