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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Cybersex

Autor
Autor:
Irene Roubicek-Solms

Cybersex, Bezeichnung für im weitesten Sinne alle sexualbezogenen Aktivitäten und Darstellungen in Online-Medien (Online-Forschung). In der öffentlichen Diskussion um eine Zensur des Internet wird Cybersex meist mit Cyberpornografie und Cyberprostitution gleichgesetzt. Daß neben kommerziellen Angeboten im Netz auch diverse private Homepages mit expliziten Bildern, Geschichten und Filmen, Erfahrungsberichten und Informationsbeiträgen zu finden sind, und darüber hinaus Sexualaufklärung und Sexualberatung, sexualbezogene Diskussion und Selbsthilfe im Netz realisiert werden, ist weniger bekannt.

Im engeren Sinne versteht man unter Cybersex eine sexuelle Interaktion zwischen mindestens zwei Personen, die sich nicht am gleichen Ort befinden, sondern per computervermittelter Kommunikation agieren und unmittelbar aufeinander reagieren. Cybersex ist nicht nur ein schriftlicher Dialog über Sexualität, sondern ist selbst eine Form der sexuellen Intimität, die als Provokation oder spielerisches Experiment aufgefaßt, aber auch sehr real und beeindruckend erlebt werden kann. Die Erlebensqualität ist nicht vom Online-Medium vorgegeben, sondern resultiert aus der Fähigkeit und Bereitschaft der Beteiligten, ihr Begehren in Worte zu fassen, das Geschehen in der Phantasie zu verlebendigen und sich dabei aufeinander einzustellen. Zudem ist der Beziehungskontext ein wichtiger Faktor (z.B. flüchtige Netzbekanntschaft, enge persönliche Netzbeziehung, prostitutiver Kontakt). Neben dem textbasierten Cybersex wie er per Chat z.B. im Internet praktiziert wird, sind per Computernetzwerk auch Audio- und Video-gestützte sexuelle Interaktionen möglich. Sich zum Cybersex in einer dreidimensionalen audiovisuell und taktil erlebbaren virtuellen Realität zu treffen und dort statt mit anderen Menschen gegebenenfalls auch mit entsprechenden Programmen zu interagieren (Mensch-Computer-Interaktion, Computer) wird heute oft als sexueller Zukunftstrend beschrieben. Die Bedrohung durch sexuell übertragbare Krankheiten (insbesondere AIDS), emanzipationsbedingt verschärfte Konflikte in den Geschlechterverhältnissen, eine generelle Entfremdung vom Körper und von den Mitmenschen werden in kulturkritischer Weise als Ursachen für die Hinwendung zum Cybersex angeführt.

Empirische Studien widerlegen die verbreitete Vorstellung, Cybersex sei nur eine defizitäre Surrogat-Sexualität, der sich insbesondere Vereinsamte und Kontaktgestörte hingeben. Vielmehr handelt es sich beim Cybersex für viele Frauen und Männer offensichtlich um eine Erweiterung des sexuellen Ausdrucks- und Erfahrungsspektrums. Obwohl körperliche Übergriffe, die Übertragung von Infektionskrankheiten sowie ungewollte Schwangerschaften beim Cybersex ausgeschlossen sind, was insbesondere Frauen und Mädchen entlastet, sind psychosoziale Risiken durchaus vorhanden (z.B. Zurückweisung, Treuebruch, Konsensverletzung). Eine Reihe psychologischer Fragestellungen sind mit dem Phänomen Cybersex verbunden und betreffen beispielsweise sexual- und körperbezogene Selbstexploration und Selbstakzeptanz, sexuelle Sozialisation von Kindern und Jugendlichen, den Umgang mit marginalisierten, devianten oder pathologischen Formen der Sexualität sowie die Konstruktion geschlechts- und altersspezifischer Sexualitäten.

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