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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Arbeitsorganisationslehre

Autor
Autor:
Irene Roubicek-Solms

Arbeitsorganisationslehre, macro ergonomics, befaßt sich nach einer Definition von Refa (Reichsausschuß für Arbeitsstudien) mit der systematischen Gliederung und Gestaltung eines Arbeitsablaufes nach aufgabenmäßigen, inhaltlichen und zeitlichen Gesichtspunkten. Sie kann in eine aufbau- und ablauforganisatorische Komponente unterteilt werden (Ablauforganisation, Aufbauorganisation). Nicht der einzelne Arbeitsplatz (wie in der Ergonomie), sondern das Zusammenwirken mehrerer Arbeitsplätze (Makro-Arbeitssytem) ist Gegenstand der Arbeitsorganisationslehre. Ihre Zielsetzung ist, auf dieser Ebene die Erfüllung arbeitswissenschaftlicher Forderungen zu überprüfen. Die einzelnen Gestaltungsbereiche der Arbeitsorganisation erhält man, indem man sich das Einzelarbeitssystem in den größeren Kontext einer Arbeitsaufgabe, die einer Gruppe gestellt ist, übertragen denkt (Abb. 1). Durch eine Analyse des Arbeitsablaufes schätzt man den Zeitbedarf für die innerhalb der Organisiationseinheit auszuführenden Aufgaben und deren gegenseitige Abhängigkeiten. Somit kann der Kapazitätsbedarf an Menschen und Betriebsmitteln und deren zeitliche Auslastung festgelegt werden. Insbesondere sind die Kommunikationswege und die dort ggf. gegebenen Reibungsverluste zu ermitteln, um die Interaktion zwischen den Mitarbeitern und den Betriebsmitteln zu optimieren. Besonders die Entwicklungen innovativer Telekomunikations- und Computertechnologien (Computer) stellen hier neue Anforderungen. Als Umgebungsbedingungen werden im erweiternden Sinne zu dem gleichen Begriff in der Ergonomie die Einflüsse bezeichnet, die sich nicht unmittelbar auf den Arbeits- und Kommunikationsprozeß auswirken, ihn jedoch mittelbar moderieren. Es ist dabei zu unterscheiden zwischen durch die Arbeitsorganisation nicht gestaltbaren Einflüssen und solchen, durch deren ablauf- und aufbaugerechte Gestaltung eine Optimierung der Kooperation erreicht wird. Auf der Ausgabenseite des Arbeitsprozesses kann durch organisatorische Maßnahmen eine Leistungssteigerung (Leistung) erreicht werden, indem einerseits personenbezogene Überprüfungsmethoden der Qualität der Arbeitsobjekte bzw. -ergebnisse entwickelt werden und anderseits durch motivierende Maßnahmen auf die Mitarbeiter eingewirkt wird.

Viele der oben dargelegten Punkte lassen sich experimentell allein deswegen nicht untersuchen, weil sich wegen des berechtigten wirtschaftlichen Prosperitätsbedürfnisses vergleichende Untersuchungen im allgemeinen verbieten. Man entwickelt deshalb sehr ausgefeilte Simulationsverfahren, durch die mittels kumulativer Kennzahlen, welche beispielsweise Personalauslastung, Personalqualifikation, Wartezeiten, Überlappungen durch gleichzeitig anfallende Aufträge u.ä. beschrieben, organisatorische Veränderungen abgeschätzt und neue Strukturen aufgefunden werden können. Da zudem im Gegensatz zu den Mikro-Arbeitssystemen bislang noch keine geeigneten arbeitswissenschaftlichen Beurteilungssysteme für Makro-Systeme entwickelt worden sind, ist dies als eine vorrangige Aufgabe anzusehen, wobei nicht nur Aspekte der Ausführbarkeit zu berücksichtigen sind, sondern auch solche der Persönlichkeitsentwicklung der betroffenen Mitarbeiter (Zülch, 1992). Heute allenthalben gängige Managementmaßnahmen, wie Job Enrichment (Anreichern der Aufgabe mit zusätzlichen Handgriffen zur Vermeidung von Monotonie), Job Enlargement (Erweiterung der Aufgabe durch zusätzliche Verantwortlichkeiten) und Job Rotation (Wechsel der Aufgaben nach einem vorgegeben Muster oder in unmittelbarer Absprache mit den Mitarbeitern), die wesentlich die Gruppenarbeit voraussetzen, sollen neben der betriebswirtschaftlich erwünschten Flexibilitätserhöhung auch dem Zweck der Persönlichkeitsförderung dienen. Arbeitsorganisatorische Maßnahmen müssen vor dem Hintergrund der jeweiligen Betriebsorganisation und des gesellschaftlichen Umfeldes beurteilt werden. Deshalb ist die Betrachtung und Berücksichtigung der entsprechenden Wechselwirkungen ein weiteres arbeitswissenschaftliches Tätigkeitsfeld. Abb. 2 zeigt eine Zusammenstellung von Interaktionen, die auf der Basis des Themenkataloges der International Ergonomic Association erarbeitet worden ist.

Von besonderem arbeitswissenschaftlichem, d.h. die individuellen Belange des Mitarbeiters berücksichtigendem, Interesse ist dabei die Beobachtung der Effekte, die sich durch moderne betriebsorganisatorische Entwicklungen wie die "lernende Fabrik" oder auch die "fraktale Fabrik" ergeben. Ihr wesentliches Merkmal ist die dynamische Veränderung, die für den Mitarbeiter vorhersehbar und durchschaubar sein muß, damit Akzeptanz erreicht wird. Eine bedeutende arbeitswissenschaftlich relevante gesellschaftliche Entwicklung ist die technologiebedingte Verschiebung der Erwerbsarbeit von der Beschäftigung vorrangig im Produktionsbereich in den Dienstleistungsbereich (Dienstleistungspsychologie) und die damit verbundene erwartete Flexibilität der Mitarbeiter hinsichtlich Beschäftigungsverhältnis und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen.

Literatur

Refa (1987). Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation. München: Carl Hanser.

Zülch, G. (1992). Arbeitsorganisation als Gegenstand der Lehre - Ansätze und Defizite einer Systematisierung. In H. Bubb & W. v. Eiff (Hrsg.), Innovative Arbeitsgestaltung - Mensch, Organisation, Information und Technik in der Wertschöpfungskette. Köln: Bachem.

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