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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Reflex

Autor
Autor:
Sonja Margarethe Amstetter

die unwillkürliche Antwort (Reaktion) auf einen Reiz. Die Reflexe regeln gleichsam automatisch den Atem, die Verdauung, zum Teil auch die Sexualität, oder dienen der Abwehr von Gefahren. Wie die Instinkte des Tieres bedürfen sie keiner willentlichen Steuerung, sind ihr zum Teil nicht einmal zugänglich. Das Neugeborene bringt diese Reflexbereitschaften mit auf die Welt. Erst allmählich werden sie von Erfahrungen und bewußten Einsichten modifiziert und eingedämmt. Eine solche Veränderung der angeborenen Reflex-Mechanismen läßt sich jedoch bereits bei Tieren erzielen. Die russischen Forscher Iwan Petrowitsch Pawlow und Wladimir von Bechterew haben um 1900 unabhängig voneinander die Entstehung »bedingter Reflexe« demonstriert. Anders als die »unbedingten Reflexe«, die in jedem Falle auftreten, sind die bedingten von Voraussetzungen abhängig, die durch Gewöhnung, Lernen oder Dressur (Drill) geschaffen worden sind. Ein berühmtes, fast schon sprichwörtliches Beispiel dafür sind die »Pawlowschen Hunde«. Der Speichel, den Hunde beim Anblick von Futter absondern, wurde nach entsprechender Gewöhnung auch durch das Glockenzeichen ausgelöst, das zunächst bei der Fütterung gegeben worden war, das aber schließlich allein, also auch ohne das Futter, den Speichel-Fluß bewirkte. Der Reflex war aus einem ursprünglichen Zusammenhang gelöst und an eine künstliche Bedingung geknüpft worden; er war »konditioniert«. Diese Erfahrung hat man dann auf die Psychologie des Menschen übertragen. Man sah ihn als Wesen, dessen Verhalten durch die Bedingungen gesteuert wird, die ihm in seiner Gesellschaft gestellt sind. Man glaubte ihn konditioniert durch die Lehren und Beispiele, die ihm die gesellschaftliche Erziehung vermittelt hat. Daraus schloß man, daß Menschen sich beinahe beliebig formen ließen, wenn man nur die Bedingungen schüfe, aus denen sich die gewünschten bedingten Reflexe ergäben. Die Psychologie, die von Pawlows Untersuchungen ausging, wurde in der Sowjetunion zur offiziellen Auf fassung vom Menschen. Von ganz ähnlichen Voraussetzungen und Folgerungen wird der Behaviorismus bestimmt, der in den Vereinigten Staaten mit der Tiefenpsychologie konkurriert. Hier wie dort entspricht die Lehre von einem gesellschaftlich steuerbaren Verhalten der Menschen den Erscheinungsformen einer Massengesellschaft. Aber der Schluß von der Beobachtung bei Tieren auf das psychische Geschehen beim Menschen führt irre. Beim Menschen wirken sich die bedingten, anerzogenen Reflexe selten so zwangsläufig aus. Er kann ihnen sein bewußtes Denken, seine persönlichen Erfahrungen und Wünsche entgegensetzen. Diese Erfahrungen sind so unterschiedlich, daß sich die individuelle Reaktion auf Reize nicht einfach voraussagen oder durch neue äußere Bedingungen bestimmen läßt. Diese Erfahrungen reichen zugleich weit in die frühe Kindheit zurück, in eine Welt also, in der »Gesellschaft« nur in der Beziehung zu den engsten Familienangehörigen, den Eltern und Geschwistern, erlebt werden konnte. Sie sind längst unbewußt geworden, der Kontrolle und Beeinflussung weitgehend entzogen, und lassen sich daher nachträglich auch kaum korrigieren. Auch beruhen sie auf Konflikten zwischen Anpassung und Trieb, letztlich auf den Wünschen nach Liebe und Aggression, die sich durch keinerlei Konditionierung wegschaffen lassen.Unwillkürliche, von selbst ablaufende Antwort auf Veränderungen der Umwelt, zum Beispiel Verengung der Pupille des Auges, wenn die Umgebung heller wird. Bedingter Reflex, Konditionierung, Lernen.

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