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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Männerbund

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

eine Gemeinschaft, die in eigentümlicher Weise die Institution der Familie ergänzt und mit ihr konkurriert. In einer solchen Gruppe sondern sich die Männer vom anderen Geschlecht ab, um miteinander auf die Jagd oder in den Krieg zu ziehen oder auch gemeinsam eine schwere Arbeit zu verrichten. Sie gehen also den Aufgaben nach, für die Frauen wegen ihrer geringeren Körperkraft, ihrer biologisch bestimmten Anfälligkeit oder ihrer Mutterschaft nicht so geeignet erscheinen. Zugleich ist dabei beinahe immer etwas von der Aggressivität im Spiel, die in der Männlichkeit selbst und meist mehr noch in der männlichen Geschlechtsrolle begründet liegt. Das gilt auch für die Rolle von Pionieren in neuerschlossenen Gebieten. Als Beispiel mag der »Wilde Westen« dienen, dessen Wesen sich deutlich änderte, als seine zunächst vorwiegend männliche Gesellschaft mehr und mehr von Familien durchsetzt wurde. Mit den Frauen zog eine Sittsamkeit ein, der sich die mehr rebellischen Männer nur schwer beugen konnten. Von hier aus läßt sich auch eine andere Funktion von Männerbünden verstehen, daß man nämlich in ihnen eine freiere, rauhere Art von Geselligkeit üben kann. Das zeigt sich noch am Männer-Stammtisch mit seiner Bierseligkeit und der Freude an Zoten. Selbst dem Kartenspiel oder irgendeinem anderen Steckenpferd kann man sich zwischen Männern intensiver hingeben als unter der »Aufsicht« von Frauen. Sie hindern den Mann ja auch oft daran, sich einer Idee, einem Ideal oder einer Ideologie (Überwert-Idee) ausschließlich zu widmen. Die größte und älteste weltanschauliche Organisation, die katholische Kirche, ist nicht zufällig im wesentlichen ein Männerbund. Die eigentliche Bedeutung der Männerbünde geht auf die Erziehung des männlichen Kindes zurück, die ja in den ersten Lebensjahren nahezu völlig in den Händen der Mutter oder anderer Frauen liegt. Wenn der Knabe heranwächst, soll er sich von diesem weiblichen Einfluß lösen. Dazu verhilft man ihm bei Eintritt der Geschlechtsreife durch Einweihungsriten und Aufnahme in einen Männerbund. Diese Sitten sind zwar heutzutage sehr verblaßt, aber noch immer proben Knaben in Spielen wie »Räuber und Gendarm« oder »Wildwest« ihre aggressive Männlichkeit und schließen sich im Spiel zu Banden zusammen. Ein Männerbund ist dann auch das Militär, in dem während der Adoleszenz die Wehrpflicht abgeleistet werden muß, wieder mit starker Betonung der Aggression. Diese Art der Männlichkeits-Erziehung ließe sich als männlicher Protest verstehen, das heißt als Kampf nicht nur gegen den verweichlichenden Einfluß der Frauen, sondern auch gegen die eigenen weiblichen Züge, die in der Bisexualität als Anlage beschlossen liegen. Das heißt nicht, daß es für den in einer männlichen Gemeinschaft gebundenen Mann das Weib nicht mehr gäbe. Aber es er scheint ihm bloß noch als Sexualobjekt, als Gebärerin möglichst männlicher Kinder, vielleicht noch als Pflegerin oder als eine Art »Kumpel«, wie es für die Soldaten im Dreißigjährigen Krieg die Marketenderin gewesen sein muß, und ohne Vergleichsmöglichkeiten zu der Mutter, in deren Heim man aufgewachsen ist. Zugleich werden zwangsläufig in einer Lebensgemeinschaft von Männern die homosexuellen Tendenzen geweckt. Selbst wo sie nicht offen durchbrechen, sorgen die Gefühlsbindungen für eine Distanz vom Weibe, für eine Geringschätzung des anderen und eine Überschätzung des eigenen Geschlechtes. Die Unsicherheit der Frau gegenüber, die in den Männerbund getrieben hat, vergrößert sich noch. In vielen Männerbünden tritt die Homosexualität offen hervor, und in manchen ist sie das eigentliche Bindemittel. Im alten Sparta glaubte man den Mut der Soldaten durch die Bindungen in »Liebespaaren« gesichert, da sich kein Liebender vor seinem Geliebten schwach oder feige zeigen wollte. Merkwürdigerweise hat die Rivalität von Männern um Männer den Zusammenhalt eines Männerbundes im ganzen nie ernsthaft gestört. Die homosexuelle Tendenz der Männerbünde zeigt sich jedoch auch dort, wo mit Brutalität gegen die offene Homosexualität Front gemacht wird. Eugen Kogon wies darauf hin, daß die SS-Bewacher in den Konzentrationslagern gegen kaum eine Gruppe so grausam handelten wie gegen die Häftlinge mit »rosa Winkel«, die Homosexuellen. Kogon sah darin mit Recht einen auf Sündenböcke verlagerten Kampf der SS gegen die eigene Homosexualität. Überhaupt war ja das Dritte Reich eine nahezu reine Männergesellschaft ohne einflußreiche oder kennzeichnende Frauen. Die Massenorganisation en stellten praktisch eine fast zerstörerische Konkurrenz der Familie dar. Der Männerbund unterscheidet sich von einer familiären Gesellschaftsordnung aber auch dadurch, daß er nicht eigentlich als patriarchalisch angesehen werden kann. Der Führer ist weniger ein » Vater«, als ein Genosse, dem man seiner überraschenden Eigenschaften wegen anhängt. Seine Macht würde nicht ausreichen, um die Gemeinschaft zusammenzuhalten, gäbe es nicht die Verschworenheit der Genossen untereinander. Ein Männerbund hat immer etwas von einer Bruderschaft und folgt insoweit dem Muster eines Totem-Clans. In keiner anderen Gemeinschaft ist der Gehorsams-Druck auf die Mitglieder so stark, weil er eben nicht nur von einem »Vater« oder Führer ausgeht, sondern ebenso von dem Wunsch aller »Brüder«, einander zu gleichen. Dieser Zwang zur Anpassung fördert als Reaktion die Angriffslust nach außen, auf eine Feindgruppe hin.

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