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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Alter

Autor
Autor:
Klaus-Dieter Zumbeck

allgemein: die Summe der Lebensjahre; im engeren Sinne: die späten Lebensjahre. Jeder Altersstufe sind bestimmte Fähigkeiten, Erwartungen und Erfahrungen zugeordnet. Die Erlebnismöglichkeiten werden zum Teil durch die Einordnung der Altersgruppen in das gesellschaftliche Gefüge bestimmt. In der Kindheit wird der Mensch durch die Formen und Ziele der Erziehung geprägt. In der Jugend (Adoleszenz) entscheidet sich nicht zuletzt durch die Einstellung der Erwachsenen, wie leicht oder wie schwer der Übergang zur vollen Reife vollzogen wird. Von der Einstellung der Gesellschaft ist es sogar abhängig, zu welchem Zeitpunkt man die Kindheit oder die Jugend für beendet hält, und für wann man den Beginn des »Alters« ansetzt. Das Alter in diesem Sinne ist unter modernen Bedingungen verlängert worden. Es bedeutet oft eine Isolation. Der ältere Mensch wird von seinen jüngeren Angehörigen getrennt, die in Kleinfamilien ihr eigenes Leben führen. Wenn er sich in ein Altersheim zurückziehen muß, hat er kaum noch Beziehungen zu den nachfolgenden Generationen. Er hat keine Arbeitsaufgabe mehr. Nicht einmal der »Rat der Alten« wird noch gefragt, da sich die Lebensverhältnisse viel zu schnell ändern, als daß ein »Senat« im eigentlichen Wortsinn noch viel dazu sagen könnte. So wird das Gefühl der Nutzlosigkeit heute zum Kernproblem der Alterspsychologie. Die Isolation der älteren Menschen bringt oft egozentrische Einstellungen hervor, ein fast wahnhaftes Festhalten an geschönten Erinnerungen, einen Haß gegen alles Neue. So leiden am Ende die jüngeren Menschen selbst unter dem, was sie den Älteren angetan haben. Der alte Mensch kann seine Lage beinahe nur dadurch bessern, daß er für seinen »Lebensherbst« einen neuen Inhalt findet. Man beginnt zu erkennen, daß man ihm dazu Möglichkeiten eröffnen sollte. Die höheren Lebensjahre sind durch eine Abnahme der aktiven Kräfte gekennzeichnet. Eine besondere Rolle spielt dabei offenkundig das Nachlassen des sexuellen Interesses. Vor allem für den Mann ist die Verminderung seiner sexuellen Potenz oft eine schwere Kränkung des Selbstgefühls. Die Frau leidet eher darunter, daß sie die Werte verloren hat, durch die sie in einer männlich bestimmten (»patriarchalischen«) Gesellschaft zählte: den »Sex Appeal« und die Gebärfähigkeit. Für beide Geschlechter entsteht oft auf diesem Gebiet wie in vielen anderen Bereichen der Eindruck, es gäbe nichts neues mehr zu erfahren, und es lohne sich nicht, sich auf Taten einzulassen. Nach einer Fülle der Erfahrungen, von denen so viele Enttäuschungen waren, glauben viele alte Menschen, sie hätten alles durchschaut. Sie finden das Leben »eitel«, das heißt nichtig. Anstelle der Resignation entwickeln manche freilich auch eine Altersweisheit, ja eine gewisse Heiterkeit. Vielleicht noch seltener kommt es zu einem neuen Lebensimpuls, indem die Freiheit von den Pflichten des mittleren Lebensabschnittes zu einer Tätigkeit benutzt wird, zu der man vorher keine Zeit hatte. Wie sich ein Mensch im Alter entwickelt, ob er erstarrt und versteinert, oder ob er es für sich und andere nutzen kann, hängt entscheidend von seiner früheren Entwicklung und Haltung ab.Umgangssprachlich für die Zeit, die ein Lebewesen bisher verbracht hat. Als Lebensperiode Gegensatz von Jugend, wobei der Beginn unscharf bestimmt ist und sozialen Einflüssen unterliegt. In den Industriegesellschaften gilt der ältere Arbeitnehmer oft als weniger tüchtig, die ältere Frau als weniger anziehend. Daher wird das Alter verleugnet oder vertuscht. Ältere Menschen haben nach dem Austritt aus dem Berufsleben oft Schwierigkeiten. Sie fühlen sich verlassen, unnütz, bewältigen nur mit Mühe den Übergang zum Rentnerdasein. Die Zeit der Pensionierung ist eine Situation besonderer Gefahr für seelische und körperliche Krankheiten (Depression). Genauere psychologische Untersuchungen haben gezeigt, daß die frühere Annahme, die Intelligenz des Menschen sinke mit dem Alter relativ rasch ab, nicht zutrifft. In manchen Bereichen bringt das Alter sogar eine Zunahme der Leistungsfähigkeit, was unter anderem die Spätwerke großer Künstler zeigen. Auch vom biologischen Standpunkt läßt sich ein aktives Alter als natürlicher Sinn der (verglichen mit den Menschenaffen) sehr hohen Lebenserwartung des Menschen verstehen: Alte Leute dienen als «lebendige Bibliotheken» der Übermittlung von Wissen über Lebenssituationen, die nur alle zwanzig oder dreißig Jahre auftreten.

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