A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z

Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Anima und Animus

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

Vorstellungen aus der »komplexen« oder »analytischen Psychologie« C. G. Jungs. Nach Jung ist die »Anima« das Inbild des weiblichen Seelenanteils beim Manne, der »Animus« entsprechend die Verkörperung der männlichen Züge bei der Frau. Bis zu einem gewissen Grade stellen »Anima« und »Animus« zugleich das Muster des Gegengeschlechtes dar. Sie sind eine Entsprechung dessen, was in der Psychoanalyse Freuds Imago heißt. Während jedoch das Imago auf individuelle Erlebnisse zurückgeführt wird und dem Bilde der Mutter, der Schwester bzw. des Vaters, des Bruders oder anderer Gestalten der Kindheit entspricht, werden Anima und Animus als überpersönliche Menschheitstypen aufgefaßt. Animismus, der Glaube, daß Naturerscheinungen von Geistern belebt seien, die irgendwie menschähnlich vorgestellt werden. Der Animismus ist eine frühe Form der Religion, die sich bis heute bei manchen Naturvölkern erhalten hat. Indem man sich die Tiere, die Pflanzen, die Himmelskörper, die Naturereignisse, die Fruchtbarkeit und selbst den Tod als Wesen vorstellt, findet man einen seelischen Zugang zu ihnen. Man meint, sie zu verstehen – nach dem Muster menschlichen Verhaltens und Empfindens. Man meint, sie gerade so beeinflussen zu können, wie man die Mitmenschen beeinflußt: indem man ihnen droht, sie beschwört, ihnen schmeichelt, sie bittet, sie durch Opfer besticht oder ihnen Gehorsam verspricht. Diese Haltung ist nicht zugleich mit den animistischen Religionen überwunden worden. Sie lebt weiter in gewissen Formen der Hochreligionen, im Aberglauben und in dem Glauben an die »Allmacht der Gedanken«. Indem man sich mit den Naturgewalten wie mit menschenähnlichen (anthropomorphen) Wesen auseinandersetzt, ändert man seine Einstellung zu ihnen und gewinnt die Hoffnung, sie zum eigenen Vorteil zu nutzen und ihren Gefahren zu entgehen. Anlage, die Summe der Eigenschaften und Möglichkeiten, die man als »Erbgut« auf die Welt mitgebracht hat. Seit alters her streitet man sich, ob die Anlage oder die Prägung durch die Umwelt für den Charakter eines Menschen und sein Verhalten entscheidend sei. Einige neuere Psychologen gehen einseitig von der Konstitution aus, glauben an eine untrennbare Beziehung zwischen Körperbau und Charakter und führen alle Eigenschaften und Verhaltensweisen auf die leib-seelische Anlage zurück. Im anderen Extrem hat der Behaviorism us (Verhaltenspsychologie) ursprünglich den Menschen als ein Wesen aufgefaßt, das als >unbeschriebene Tafel< auf die Welt kommt und erst in der Auseinandersetzung mit dem Mitmenschen »konditioniert«, also geprägt wird. Die eine Auffassung hat zur Folge, daß man die Menschen für unveränderlich, die andere, daß man sie für fast beliebig manipulierbar hält. Das hat moralische und sogar politische Konsequenzen. Die Entscheidung zwischen den beiden gegensätzlichen Theorien wird vielfach von der Zwillingsforschung erwartet. Es schien sich zu erweisen, daß eineiige Zwillinge, die ja alle Erbeigenschaften gemeinsam haben, sich vollkommen gleichartig entwickeln, während zweieiige Zwillinge, die immerhin die gleichen Umwelterfahrungen haben, sich nicht ähnlicher werden als altersverschiedene Geschwister. Dabei übersah man, daß eineiige Zwillinge von der Umwelt meist als Gleiche behandelt werden und ein jeder von ihnen sich mit dem anderen ständig identifiziert. Darüber hinaus gibt es inzwischen Beispiele dafür, daß eineiige Zwillinge, die sehr früh voneinander getrennt worden und in sehr verschiedenen Familien-Umwelten aufgewachsen sind, sich auch verschieden entwickeln und manchmal sogar die äußere Ähnlichkeit verlieren. Die Psychoanalyse, die sich vor allem mit den frühen Umwelterfahrungen befaßt, geht von einer sogenannten »Ergänzungsreihe« aus. Danach kann eine bestimmte Entwicklung in dem einen Extremfall fast nur durch die Anlage, in dem entgegengesetzten fast nur durch die Umwelt bedingt sein, während auf dem breiten Mittelfeld dieser Skala sich beide Faktoren von Stufe zu Stufe unterschiedlich mischen. Endlich spricht man noch von »Pseudo-Heridität«, d. h. von dem Anschein einer Erblichkeit, der nichts mit der Blutsverwandtschaft zu tun hat, sondern durch das Standes und Berufsmilieu bedingt ist, in dem die betreffende Familie über Generationen hinweg verbleibt. In einer Offi ziers-, Beamten-, Pfarrers oder auch einer Artisten-Familie werden die Kinder immer wieder ähnlichen Eindrücken ausgesetzt und im Sinne ähnlicher Wertvorstellungen erzogen, so daß sie jeweils gleiche, typische Eigenschaften entwickeln.

Vorhergehender Fachbegriff im Lexikon:

Nächster Fachbegriff im Lexikon:

Psychology48.com

Das freie Lexikon der Psychologie. Fundierte Informationen zu allen Fachgebieten der Psychologie, für Wissenschaftler, Studenten, Praktiker & alle Interessierten. Professionell dargeboten und kostenlos zugängig.

Psychologielexikon
Psychologie studieren

Modernes Studium der Psychologie sollte allen zugängig gemacht werden.