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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Logotherapie

Autor
Autor:
Katharina Weinberger

von V. Frankl (1905-1997) begründete "sinnzentrierte Psychotherapie", mit dem Ziel, Urvertrauen und Lebensbejahung wiederzugewinnen und Lebensangst abzubauen. Wege dorthin: "Loslassen" und "Beschenkenlassen", das "Ja zum Leben sich selbst abringen", eine vom Wiener Neurologen und Psychiater Viktor Frankl begründete, sinnorientierte Beratungs- und Behandlungsmethode ("Logos" = Sinn). Frankl entwickelte sie ab 1926 in Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse Freuds und der Individualpsychologie Adlers als "Ergänzung" der traditionellen Psychotherapie, die er um die Dimension des "Geistigen" ("Noetischen") erweitern wollte. Diese noetische Dimension des Menschen zeige sich vor allem in der Suche nach Sinn, die von der damaligen Psychotherapie nicht aufgegriffen wurde. Die Vernachlässigung der Sinndimension kann nicht nur zu schwerem Leid, Verzweiflung und Suizidalität führen, sondern auch die Entwicklung von spezifischen und unspezifischen Störungen begünstigen (vor allem Sucht, aber auch Neurosen und psychosomatische Krankheiten).

Frankls Anliegen einer "Ärztlichen Seelsorge" (1946/1987) war in seinem humanistischen Ansatz breit angelegt und ging über die Psychotherapie hinaus. Er wollte den "Leidenden Menschen" (1975) bei der Bewältigung von Krankheit und Schicksal in ihrer geistigen Not aufkommender Sinnlosigkeit eine spezifische Hilfestellung zukommen lassen, die an keine Religion oder Konfession gebunden ist. Wie später empirisch nachgewiesen werden konnte, ist die Sinnfindung jedem Menschen möglich, unabhängig von Alter, Geschlecht, Intelligenz, Problembereich, Gläubigkeit oder Konfession (Lebenssinn). Logotherapie kann in jeder Beratung und Psychotherapie unabhängig ihrer theoretischen Ausrichtung bei Sinnproblemen und Sinnverlust zur Anwendung kommen.

Die theoretische Basis der Logotherapie ist die Existenzanalyse, die wiederum weitgehend auf der philosophischen Anthropologie Max Schelers beruht. Die primäre Motivationskraft des Menschen ist nach Frankl der angeborene "Wille zum Sinn": ohne einen Sinn zu sehen oder zu ahnen ist der Mensch nicht motivierbar. Wird über längere Zeit kein Sinn im eigenen Leben und Handeln gesehen bzw. empfunden, entsteht ein "existentielles Vakuum" (Sinnlosigkeitsgefühl, gepaart mit Interessensverlust und Apathie). Dieses ist fakultativ pathogen und kann zu "noogenen Neurosen" führen - Neurosen also, als deren Ursache neben Sinnverlust auch Gewissenskonflikte, Wertverluste bzw. Wertkollisionen (Werte) eine Rolle spielen.

Die logotherapeutische Arbeit ist um den "existentiellen Sinn" (Situationssinn) zentriert. In ihm geht es darum, den Aufgabencharakter der Lebenslage zu erkennen und dem Menschen ein auf die Anforderungen und Angebote der Situation abgestimmtes Handeln bzw. Erleben zu ermöglichen (Erlebniswerte und schöpferische Werte als Basiskategorien der Sinnfindung). Ist ihm dies durch ein unabwendbares Schicksal verwehrt, geht es um das Erarbeiten einer ganz persönlichen, vor sich selbst verantworteten Einstellung zum (oft als "sinnlos" empfundenen) Leid. In diesem "Einstellungswert" kommt die Grundhaltung zum Leben und die Ahnung bzw. der Glaube an den "ontologischen Sinn" (Sinn des Seins) als letzter Ausdruck von menschlicher Freiheit und (oft unbewußter) Letztbezüglichkeit zum Vollzug.

Logotherapie ersetzt nicht das Aufarbeiten traumatischer oder konflikthafter Entwicklungen, vermag aber daneben erhebliche geistige Ressourcen zu mobilisieren und stellt in Fällen von schweren Schicksalsschlägen oftmals das Mittel der Wahl dar. Neben der Behandlung der "Sinnfrage in der Psychotherapie" (Frankl 1981/1997) kommt Logotherapie auch im Bereich der Pädagogik, Erwachsenenbildung, Seelsorge, Sozialpädagogik, Management und allgemein in der Prophylaxe (Prävention) zur Anwendung. Spezifische Methoden sind die Dereflexion (Frankl), die Einstellungsmodulation (Lukas) und die Sinnerfassungsmethode (Längle).

Literatur

Frankl, V. E. (1985/1997). Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. München: Piper.

Längle, A. (1994). Sinnvoll leben. St. Pölten: NÖ Pressehaus.


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