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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Altersprobleme

Autor
Autor:
Julia Schneider-Ermer

Altersprobleme, auch: Alternsprobleme, stellen sich dadurch, daß Menschen alt werden, aber nicht alt sein möchten - denn ins Bewußtsein dringen zunächst die negativen Seiten des Alters, der Alterungsprozeß: Verfall des Körpers, Krankheiten, Nachlassen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, Einschränkung der körperlichen Mobilität, Begrenzung der Beziehungen und der Aktivitäten, wachsende Abhängigkeit, abnehmende Lebenszeit und Zukunftsperspektiven, Identitätsverlust durch Berufsaufgabe, Verlusterlebnisse durch den Tod anderer, Einsicht in die Unvermeidbarkeit des eigenen Todes etc. Diese Altersängste haben seit eh und je in darstellender Kunst, in Philosophie und Literatur, in Medizin, Sport und neuerdings in der Genforschung den Wunsch artikuliert, den Alternsprozeß zu verzögern, aufzuheben oder gar umzukehren - der Traum von ewiger Jugend, Schönheit und Gesundheit.

Auf die sich mit zunehmendem Alter vergrößernde Differenz zwischen der psychischen Realität (den inneren Phantasien) und der körperlichen (alternden) Realität weisen psychoanalytische Arbeiten hin, die darin schwerwiegende Konflikte im Alter sehen, vor allem dann, wenn die fehlende Auseinandersetzung mit den spezifischen Entwicklungsaufgaben der einzelnen Lebensphasen keinen harmonischen Übergang zum Alter ermöglicht.

Weitere Probleme erwachsen aus der "Feminisierung des Alters": Im Jahr 2030 werden Frauen durchschnittlich etwa um 12 Jahre länger als Männer leben. Schon unsere heutige Altersgesellschaft ist bei den über 60jährigen zu zwei Dritteln und bei den über 75jährigen zu drei Vierteln eine Frauengesellschaft: Frauen gehören - obgleich die Altersarmut abgenommen hat - am ehesten zu den armen Alten (bedingt durch ihre Biographie), sie leben in relativ schlechteren Wohnungen, sie leben einsamer, da sie z.B. im Vergleich zu zahlreichen alleinstehenden Männern sich nicht wiederverheiraten. Diese Faktoren mögen zu einer Häufung von Problemen führen. Auf die besonderen Vorurteile, die sich aus den Negativbildern, weiblich und alt zu sein, entwickeln, macht Margret Baltes (1995) aufmerksam: Die abwertende Charakterisierung des Alters hat deutlich weibliche Züge, denn für die Frau gelten jugendbezogene Attraktivitätsnormen (Attraktivität), wohingegen der Mann "reift".

Weitere Probleme des Alterns, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, sind:

- Ernährung: Etwa von der Mitte des 5. Lebensjahrzehnts an werden bestimmte Nährstoffe, vor allem Eiweiß und Vitamine, zunehmend gebraucht. Übergewicht und Falschernährung (geänderte Forderungen des alternden Stoffwechsels) müssen wegen zahlreicher möglicher Erkrankungen beobachtet werden (Ernährungspsychologie).

- Krankheit, gegliedert in alternde Krankheiten, die den Menschen in ihrem chronischen Verlauf schon ein gutes Stück des Lebens begleiten, und die primären Alterskrankheiten (Altersdiabetes, Arteriosklerose, degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates, Prostata-Adenom und auch die psychiatrischen Alterskrankheiten mit Hirnleistungsschwäche und/ oder Persönlichkeitsveränderungen und Beeinträchtigung der Affekte, chronischer Schmerz, Schlafstörungen, Inkontinenz etc.): stellen durch ihre Häufung im Alter eine besondere Problematik dar. Weiterhin kommt erschwerend für die Diagnostik und den Heilungsprozeß hinzu, daß die Krankheiten im Alter zwar voneinander unabhängig, aber zeitlich synchron auftreten können (Multimorbidität). Die Möglichkeiten einer Intervention, um die alternsbedingten Veränderungen zu bewältigen, liegen vor allem in der Einschätzung der Risiken, denen sich der Mensch aussetzt - in seinen mittleren Lebensjahren ausgesetzt hat, die er jedoch mit seinem Wissen um Strategien beeinflussen kann. Obgleich Krankheit und Behinderung im Alter häufiger als im jüngeren Lebensalter auftreten, so können Alter und Krankheit nicht gleichgesetzt werden (Abb.).

Die Probleme, die aus dem individuellen Altern und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erwachsen, fordern sehr differenzierte Maßnahmen, die adressatenspezifisch und weniger altersspezifisch ausgerichtet sein müssen. Das Kompetenzmodell des Alterns (Gerontopsychologie) betont, daß sich Kompetenz immer nur aus der Relation zwischen persönlichen Ressourcen und situativen (ökologischen und sozialen) Variablen bestimmt, und hier heißt es, die Besonderheiten von Regulationen in diesem Entwicklungsabschnitt, dem Alter, hervorzuheben.

Nach wie vor nutzen nicht alle alternden Menschen das durch wissenschaftliche Erkenntnisse verfügbare Wissen, das ihnen aufzeigt, wie sie ihr Leben durch eigene Aktivitäten in körperlicher und psychischer Hinsicht, in ihrer sozialen Rolle und mit der Möglichkeit einer realistischen Zukunftsperspektive wesentlich beeinflussen können, so daß eine hohe interindividuelle Varianz in der Bevölkerung auffällt. Dazu tragen vor allem der Bildungsstand, das berufliche Training, der Lebensstil, der Anregungsgehalt der Umwelt, z.B. die Mediennutzung, der Gesundheitsstatus, die emotionale Stabilität und das Selbstbild bei.

Literatur

Baltes, M. M. & Friedan, B. (1995). Vom Feminismus zur Alterskultur. In Deutscher Bundestag (Hrsg.: 1994), Zwischenbericht der Enquete - Kommission Demographischer Wandel - Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik. Drucksache 12/7876 vom 17.6.1994. Bonn: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft.

Howe, J. (1988). Bedingungen "erfolgreichen" Alterns. In J. Howe u.a. (Hrsg.), Lehrbuch der psychologischen und sozialen Alternswissenschaft. Bd.1: Grundlagen. Heidelberg: Asanger

Schmitz-Scherzer, R. (1996). Grenzsituationen. Auseinandersetzung mit Sterben und Tod. Funkkolleg Altern, Studieneinheit 9. Tübingen. Deutsches Institut für Fernstudienforschung an der Universität Tübingen.

Teising, M. (Hrsg.). (1998). Altern: Äußere Realität, Innere Wirklichkeiten. Psychoanalytische Beiträge zum Prozeß des Alterns. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

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