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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Parapsychologie

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Julia Schneider-Ermer

Die Wissenschaft von seelischen Rand oder Grenzerscheinungen (para = »neben«). Sie untersucht zunächst die außersinnlichen Wahrnehmungen (ASW, nach amerikanischem Vorbild auch ESP = Extra sensority perception) wie Telepathie (»Gedankenübertragung«), Hellsehen und Prophetie oder Präkognition ( = Vorauswissen). Bei der Telepathie nimmt man eine Beziehung des Empfängers der Wahrnehmung zu einem bestimmten Menschen als Sender an. Das Hellsehen ist die Wahrnehmung eines fernen Ereignisses, das sich dem Empfänger an sich, ohne bestimmte Vermittler, wie ein Sinneseindruck aufdrängt. Daß es solche Erscheinun gen tatsächlich gibt, läßt sich nach dem heutigen Stande der parapsychologischen Forschung nicht mehr bestreiten. Der Amerikaner J. B. Rhine hat sie mit Experimenten, die gegen Betrug und Selbsttäuschung abgesichert waren, bewiesen und zugleich mit statistischen Methoden jede Erklärung durch bloßen Zufall unmöglich gemacht. Allerdings zeigen diese Labor-Versuche kaum, was hier eigentlich vorgeht. An den unterschiedlichen Erfolgsquoten läßt sich nur ablesen, daß es einige Menschen mit hoher Begabung zur außersinnlichen Wahrnehmung gibt, während andere dazu beinahe unfähig sind, und daß die parapsychische Leistung von dem gefühlsmäßigen Interesse abhängt. Experimente mit sogenannten Sensitiven, wie man heute die »Medien« nennt, zielen deshalb auf die außersinnliche Vermittlung von Gefühlserlebnissen ab. Hier ergibt sich, daß auch solche Gefühlsinhalte telepathisch erfaßt werden können, die dem Sender nicht bewußt sind. Überhaupt scheinen die parapsychischen Fähigkeiten im Unbewußten, in der Tiefenschicht der Seele zu liegen. Vielfach nimmt man an, daß sie dem Instinkt der Tiere verwandt sind. Wahrscheinlich waren sie einmal allen Menschen eigen, sind aber inzwischen durch die Kulturentwicklung bei den meisten Menschen bis zur Unkenntlichkeit überwachsen.

Tatsächlich finden sie sich viel häufiger bei den Naturvölkern, in zurückgebliebenen Gegenden (vgl. Land schaft), oder bei intellektuell wenig entwickelten Personen. Die telepathischen oder hellseherischen Aussagen der Sensitiven sind unzuverlässig. Sie können zum Beispiel einen anderen Inhalt betreffen als den, den die Zuhörer erwarten, der aber für das Medium gefühlsmäßig dicht neben dem liegt, nach dem es eigentlich gefragt worden ist. Seelische Störungen verschiedener Art können eine Aussage verfälschen oder verhindern. Der Sensitive kann oft das äußerlich Wichtige nicht von dem Banalen unterscheiden, wenn es für ihn stark gefühlsmäßig eingefärbt ist. Er nimmt unbewußte Vorstellungen eines Senders gerade so auf wie reale Erlebnisse und kann das eine vom anderen nicht immer trennen. Solche Seltsamkeiten haben einst dazu geführt, das man die Eingebungen eines Mediums für Mitteilungen aus der Geisterwelt hielt. Heute wird die Theorie des Spiritismus nicht mehr ernsthaft diskutiert. Was man den Geistern zuschrieb, stammte stets aus dem Seelenleben derer, die an einer spiritistischen Seance teilnahmen (vgl. Animismus, Besessenheit, Dämonen). Die Parapsychologie hat den »Ockultismus« abgelöst, denn sie will ja der wissenschaftlichen Erkenntnis erschließen, was bisher als ockult = dunkel, geheimnisvoll, galt. Mehr noch als die übrige Psychologie leidet die Parapsychologie darunter, daß sich die Erscheinungen, die sie untersuchen will, nicht beliebig hervorrufen und deshalb auch nur sehr begrenzt experimentell nachprüfen lassen. So ist sie zum Teil noch auf Methoden angewiesen, die dem Untersuchungsgebiet nicht ganz gemäß sind. Sie befindet sich noch in einem Stadium, das dem der Psychologie vor Freud entspricht, der ja neue Methoden der Forschung entwickeln mußte, um das Unbewußte erfahrbar zu machen. Bekanntlich wird die Beweiskraft dieser Methoden noch heute angezweifelt, so vor allem vom Behaviorismus, in dem man auf jede Tiefenforschung von vornherein verzichtet. Auf dem Forschungsgebiet der Parapsychologie sind am eindrucksvollsten die Spontanerlebnisse, die sich wiederum nur sehr unzureichend kontrollieren lassen. Bei ihnen muß man stets mit Erinnerungsfälschungen rechnen, die von dem gleichsam religiösen Wunsch nach Beweisen für eine Welt jenseits der bloß materiellen diktiert sind. Die Kraft, die die außersinnlichen Wahrnehmungen trägt, ähnelt tatsächlich keiner der bekannten physikalischen Kräfte. Der naheliegende Vergleich mit elektrischen oder Radio-Wellen führt insofern irre, als die Kraft, die die Parapsychologen »Psi« genannt haben, weder durch Entfernung geschwächt noch durch irgendwelche äußeren Hindernisse beeinträchtigt wird. Sie ließe sich eher mit rein seelischen Kräften vergleichen, wie sie in der Hypnose wirksam werden. Übrigens vermag die hypnotische Trance die parapsychischen Kräfte zu stärken. Das Phänomen der Präkognition scheint zu beweisen, daß für die Kraft »Psi« auch die Zeit keine Rolle spielt. Das Vorauswissen, das »zweite Gesicht«, erfaßt Vorgänge, die noch gar nicht abgelaufen sind. Sie müßten schon irgendwo bereit liegen, gleichsam vorbestimmt sein. Eine derartige Annahme ist mit unserem bisherigen Weltbild unvereinbar. Man sollte sich aber klar sein, daß darin noch kein Gegenbeweis liegt. Wenn es solche Erscheinungen gibt so selten sie auch sein mögen, dann müßten wir uns eben unser Weltbild erweitern, wie wir es erweitert haben, seit wir die Elektrizität oder die Atomkraft erforschen und nutzbar machen. Zuviel spricht dafür, daß Präkognition tatsächlich vorkommt, als daß man das Problem dahinter einfach beiseite wischen könnte.

Das gilt in einer etwas anderen Weise auch für die Telekinese oder Psychokinese. Dabei geht es um die Bewegung von materiellen Dingen mit rein seelischen Kräften und ohne Berührung. Am auffälligsten sind derartige Erscheinungen in jenem Bereich, in dem man einst »Poltergeister« wirksam sah. Da fallen plötzlich Gegenstände von den Wänden, Geschirr geht auf unerklärliche Weise in Scherben, Möbel werden verrückt und ähnliches mehr. In allen Fällen, die näher untersucht wurden, ließen sich Phänomene auf einen Jugendlichen an der Grenze zwischen Pubertät und Adoleszenz zurückführen. Einmal hat ein junges Mädchen, das in einer Anwaltskanzlei beschäftigt war, offenbar die Zählapparatur der Post für die Telefongespräche aus dem Büro psychisch beeinflußt; eine technische Fehlerquelle war jedenfalls trotz intensiver Bemühungen nicht zu entdecken. Sobald das Mädchen die Kanzlei verlassen hatte, hörten alle diese Erscheinungen auf. Sie scheinen die seelischen Schwierigkeiten des Mädchens ausgedrückt zu haben. Das würde bedeuten, daß psychische Kräfte nicht nur auf andere beseelte Wesen, sondern auch auf tote Dinge einwirken können. Freud hat die Existenz der Telepathie anerkannt. Doch darüber hinaus wollte er nicht gehen, wenn er auch zugab: »Es ist der erste Schritt, der zählt.« Die Parapsychologen berufen sich allerdings lieber auf C. G. Jung, der wegen seiner mystischen Neigungen nicht gerade ein sehr überzeugender Kronzeuge ist. Viele parapsychologische Wissenschaftler schrecken ebenfalls nicht vor der Grenze zur Mystifizierung und zum Aberglauben zurück. Unter ihren heftigsten Gegnern sind einige, deren Überzeugung eine Art umgekehrter Glaube ist, der Glaube, das nichts existieren könnte, was wir noch nicht verstehen. Natürlich läßt sich nicht leugnen, daß viele vermeintlich parapsychische Phänomene auf Betrug, Scharlatanerie und wunschbestimmter Selbsttäuschung beruhen. Die Verlockung, echte oder scheinbare Vorkommnisse dieser Art als »Beweise« für eine irrationale Welterklärung auszuschlachten, ist allzu groß. Aber es sollte doch einmal möglich sein, auch noch unerklärliche Tatsachen ohne irgendein Vorurteil zu untersuchen, bis man jenseits von Glauben, Wünschen und Fürchten weiß, was es mit ihnen auf sich hat. Heute schon läßt sich aus den Ergebnissen der Parapsychologie schließen, daß die Macht der Seele noch größer ist, als man sie bislang eingeschätzt hat.Untersuchung «paranormaler» seelischer Vorgänge, vor allem von Wahrnehmungen, die nicht auf normalem Wege zustande gekommen sein können (Telepathie, Hellsehen), und von physikalisch nicht erklärbaren Spukerscheinungen. Die Parapsychologie trat 1927 in ein «wissenschaftliches» Stadium ein, als unter Leitung von J.B. Rhine ein parapsychologisches Laboratorium an der Duke-Universität in den USA eingerichtet wurde. Hier wies Rhine die außersinnliche Wahrnehmung mit Hilfe statistischer Verfahren nach, wobei er offenbar das Glück hatte, «gute» Versuchspersonen zu finden. Seine Ergebnisse sind bis heute umstritten, da sie nicht eindeutig wiederholbar waren. Die rätselhafte Eigenschaft «Psi», welche Rhine für die paranormalen Vorgänge verantwortlich machte, hat sich bislang jeder Kontrolle entzogen; ent-’ gegen aufgebauschten Zeitungs- und Buchberichten ist sie auch noch niemals in sinnvoller Weise praktisch verwendet worden. Heute befaßt sich die Parapsychologie wieder mehr mit spontanen Spukerscheinungen und ähnlichen Vorgängen. Sie befindet sich in der widersprüchlichen Situation, daß einerseits das Vorhandensein paranormaler Erscheinungen immer besser und unabweisbarer belegt werden kann, aber andererseits die Aussichten auf eine gezielte, kontrollierbare Verwendung solcher Erscheinungen und der ihnen unterliegenden Kräfte heute geringer denn je erscheinen.

Der Begriff geht auf einen von dem Berliner Psychologen und Philosophen Max Dessoir (1867-1947) stammenden Vorschlag zurück, die aus dem normalen Verlauf des Seelenlebens heraustretenden Erscheinungen parapsychische, die von ihnen handelnde Wissenschaft Parapsychologie zu bezeichnen. Dessoir wollte mit dieser provisorischen Bezeichnung eine Gruppe außergewöhnlicher Phänomene kennzeichnen, die in der Kulturgeschichte zwar immer wieder berichtet wird, deren Existenz aber seit jeher umstritten ist: es handelt sich um verbreitete Erscheinungen und Vorgänge wie Gedankenübertragung, Zweites Gesicht, Wahrträume, Ahnungen, Spuk- oder Geistererscheinungen, die zumeist als nicht-alltäglich und emotional besonders bedeutsam eingestuft werden. In der historischen Entwicklung der Parapsychologie lassen sich drei Phasen unterscheiden: 1) die Massenbewegung des Spiritismus seit Mitte des 19. Jahrhunderts, die Elemente des Mesmerismus inkorporiert (z. B. Fluidum, Séancen und behauptete Jenseitskontakte durch besonders begabte Medien), 2) die Gründung der heute noch aktiven Societies for Psychical Research in London (1882) und in den USA (1885), die den Beginn einer systematischen und vorurteilslosen Erforschung okkulter Phänomene markiert, und 3) die Etablierung der Psi-Forschung an vereinzelten Universitäten Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts.

Gegenstand

Den Gegenstandsbereich der heutigen Parapsychologie bildet eine Gruppe anomal anmutender Erlebnis- und Verhaltensweisen, die unter dem Oberbegriff Psi-Phänomene zusammengefaßt werden (nach dem 23. Buchstaben des griechischen Alphabets). Diese werden üblicherweise in zwei Gruppen untersucht: 1) als Außersinnliche Wahrnehmung (extrasensory perception, ESP) in den Formen Telepathie (= Übertragung von psychischen Inhalten von einer Person auf eine andere ohne Beteiligung bekannter Kommunikationskanäle), Hellsehen (= Erfassung von objektiven Sachverhalten, die niemandem bekannt sind), Präkognitio (= Erfassung zukünftiger Vorgänge, die rational nicht erschließbar sind und auch nicht als Folge des Vorauswissens auftreten dürfen); 2) als Psychokinese, worunter die direkte Beeinflussung physikalischer oder biologischer Systeme in Abhängigkeit von der Intention eines Beobachters ohne Beteiligung bekannter naturwissenschaftlicher Wechselwirkungen verstanden wird. Bei Außersinnlicher Wahrnehmung und Psychokinese handelt es sich um rein deskriptive Begriffe; zur Vermeidung der erkenntnistheoretischen Problematik von Negativdefinitionen werden Psi-Phänomene in Forschungspraxis operational definiert. Die Aufgabe der parapsychologischen Forschung besteht darin, Erklärungsmodelle für behauptete Psi-Phänomene zu finden, worunter auch konventionelle (natürliche) Erklärungen in Form von subjektiven Täuschungen oder Artefakten fallen können. Im Unterschied zu einem weitverbreiteten Mißverständnis hängt die Legitimität dieser Forschung also nicht davon ab, daß sich Psi als eigenständiges Konstrukt verifizieren läßt.

Forschungsstrategien

Die Parapsychologie verwendet folgende Forschungsmethoden (Krippner, 1977-1997):

1) Sammlung, Dokumentation und Klassifikation paranormaler Spontanberichte unter phänomenologischen, psychologischen und soziologischen Aspekten. Die soziale Relevanz dieser Forschungsrichtung geht aus Umfragen hervor, denenzufolge über die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung der USA über subjektive paranormale Erfahrungen im Sinne von Gedankenübertragung oder Hellsehen berichtet. Subjektive paranormale Erfahrungen können folgendermaßen klassifiziert werden: a) nach Psi-Modus (gleichzeitige, d.h. telepathische oder Hellsehphänomene und präkognitive Phänomene), b) nach Erlebnisformen (Ahnungen, Halluzinationen, symbolische vs. realistische Träume und Visionen, c) nach dem Bewußtseinszustand (Wachzustand oder Traum), d) nach vorhandenem oder fehlendem Bedeutungsbewußtsein, e) nach vorhandener oder fehlender psychologischer Motivation, f) nach inhaltlicher Thematik, g) nach Bezugspersonen. Alle diese subjektiven paranormalen Erfahrungen sind in ein komplexes Muster kognitiver, soziokultureller, emotionaler, motivationaler, neuropsychologischer und psychodynamischer Faktoren eingebettet. Durch den quantitativen Vergleich zeitlich und geographisch unterschiedlicher Fallsammlungen wird nach gemeinsamen bzw. divergierenden Patterns gefragt, die sich möglicherweise durch konventionelle Hypothesen erklären lassen.

2) In der Feldforschung geht es um die detaillierte Untersuchung solcher Situationen, in denen Psi-Effekte gehäuft aufzutreten scheinen. Paradigmatisch dafür sind die sog. “Spukfälle” (recurrent spontaneous psychokinesis-Phänomene), bei denen “unerklärte” physikalische Vorfälle (z. B. Klopfgeräusche) zumeist in Gegenwart eines pubertierenden Jugendlichen (“Spukauslöser”, Fokusperson) auftreten. Eine “objektive” Dokumentation dieses Geschehens, die immer das Verkennen “natürlicher” Ursachen und Betrugsmöglichkeiten berücksichtigen muß, wird mit der einzel- und gruppendiagnostischen Erfassung des Interaktionsgeschehens zwischen Fokusperson und seinem sozialen Umfeld (z. B. Familie) gekoppelt, die auf geeignete Interventionsmaßnahmen abzielt.

3) Kontrollierte Laborexperimente haben zum Ziel, operational definierte Außersinnliche Wahrnehmungs- und Psychokinese-Hypothesen mit unausgewählten Versuchspersonen zu testen. Gebräuchlich sind zwei Vorgehensweisen: Bei der “beweisorientierten” Überprüfung der Außersinnlichen Wahrnehmungs-Hypothese muß ein sensorisch abgeschirmter “Empfänger” eine zufällig erzeugte Abfolge von Symbolen, die ein räumlich entfernter “Sender” betrachtet, “erraten”. Eine statistisch signifikante Abweichung der Trefferanzahl von der Zufallserwartung bei genügend langen Versuchsserien wird als “Telepathie” definiert, “Hellsehen” ist dann gegeben, wenn kein Sender vorhanden ist, bei “Präkognition” erfolgt der Ratevorgang, bevor die Zielfolge generiert wurde. Bei allen drei Versuchsmodalitäten sind die Wahlalternativen zwischen den Zielsymbolen begrenzt (forced-choice-Methode). Zur Überprüfung der Psychokinese-Hypothese müssen Versuchspersonen durch bloßes “Wünschen” physikalische Zufallsereignisse in eine vorher festgelegte Richtung “beeinflussen". Zum heutigen Standard der Psychokinese-Forschung gehören die Schmidt- Maschinen, die auf dem spontanen radioaktiven Zerfall beruhen und mit verschiedenen Displays (optisch/akustisch) betrieben werden, sowie die Experimente zur “Beeinflussung” biologischer Systeme (distant mental interaction on living systems), bei denen die physiologische Reaktion eines sensorisch abgeschirmten Probanden gemessen wird (z. B. die elektrodermale Aktivität) (Radin, 1997). Der “prozeßorientierte” Zugang zielt auf die Untersuchung der psychologischen, situativen oder physikalischen (Rand-)Bedingungen ab, von denen die Psi-Effekte möglicherweise abhängen. Als Beispiel für einen Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsvariablen und Psi-Trefferleistungen ist der “Sheep-Goat-Effekt” zu erwähnen, der besagt, daß die durch einen Fragebogen gemessene “positive” oder “negative” Einstellung der Versuchsperson paranormalen Phänomenen gegenüber bzw. ihr Glaube an “Erfolg” oder “Mißerfolg” im Experiment das Ergebnis beeinflußen kann. Der prozeßorientierte Zugang verwendet zumeist “free-response”-Methoden, bei denen die Versuchsperson das ihr unbekannte Zielobjekt (Target) in freien Einfällen beschreibt. Zu den erfolgreichen Forschungsparadigmen in dieser Hinsicht gehören a) die experimentelle Beeinflussung von Trauminhalten unter Laborbedingungen; b) die Remote-Viewing (Fernwahrnehmungs-) Experimente; c) die Ganzfeld-Experimente, bei denen der “Empfänger” in den Zustand einer milden sensorischen Deprivation versetzt wird, während der “Sender” ein zufällig ausgewähltes komplexes Target (z. B. ein Bild) betrachtet (Radin, 1997).

Forschungsstand

Die Mehrzahl der professionellen “Parapsychologen”, die in der Regel Mitglieder der 1957 gegründeten “Parapsychological Association” sind, geht von folgendem Forschungsstand aus: es gibt auf phänomenologischer Ebene Psi-Anomalien, die sich bisher nicht mit konventionellen Hypothesen erklären lassen; “Psi-Effekte” sind zwar schwach, aber statistisch gesehen “robust”, wie insbesondere Metaanalysen von Außersinnlicher Wahrnehmungs- und Psychokinese-Experimenten belegen (Radin, 1997; Utts, 1991); sie scheinen eher von psychologischen Faktoren (etwa Persönlichkeitsmerkmalen wie Extraversion/emotionale Stabilität oder Einstellungen) abzuhängen als von räumlichen oder zeitlichen Distanzen), ohne daß sie steuerbar oder trainierbar wären; veränderte Bewußtseinszustände (Meditation, Hypnose, Entspannung, Reizentzug) begünstigen zwar ihr Auftreten (“psi conducive-states”), aber spezifische Bedingungen sind noch nicht bekannt; manche Experimentatoren sind offenbar “erfolgreicher” als andere (Psi-Experimentator-Hypothese). In der heutigen Theorienbildung der Parapsychologie (Übersicht bei Lucadou, 1995) ist man von klassischen, an der Psychophysik orientierten Vorstellungen, die unter Außersinnliche Wahrnehmung eine “Übertragung” von Information, unter Psychokinese eine energetische “Beeinflussung” sehen, weitgehend abgekommen; experimentell überprüfbare Modellannahmen werden als observational theories zusammengefaßt, die Psi-Effekte als nicht-lokale Korrelationen zwischen quantenmechanischen Fluktuationen und einem psychisch disponierten “System” (Beobachter) auffassen. Diese Modelle versuchen, sowohl die Experimentatorabhängigkeit als auch die auffallende Elusivität (Flüchtigkeit) der Psi-Phänomene zu erklären. Außerdem wird dadurch verständlich, weshalb sich bei Psi-Experimenten der Effekt nicht beliebig statistisch akkumulieren läßt, was zu einer Einschränkung der Reproduzierbarkeit führt. Der Status der parapsychologischen Forschung ist in der wissenschaftlichen Gemeinschaft umstritten (Psi-Kontroverse); die Parapsychologie hat sich auf der einen Seite vom Verdacht der Pseudowissenschaft abzugrenzen, auf der anderen von einem dogmatischen Skeptizismus, der in allen Psi-Effekten nur Selbsttäuschungen, statistische bzw. experimentelle Artefakte oder Betrug und Manipulation seitens Experimentator und/oder Versuchsperson sieht. Obwohl es Ansätze zu einem konstruktiven Dialog zwischen Parapsychologen und ihren Kritikern gibt, ist es eher unwahrscheinlich, daß in absehbarer Zeit Psi-Effekte im Rahmen der akademischen Psychologie als legitimes Forschungsobjekt anerkannt werden; die Vertreter der wissenschaftlichen Parapsychologie unterliegen insofern einem ständigen Legitimationszwang und sehen sich mit der Rezeptionsproblematik einer “unorthodoxen” Wissenschaft konfrontiert. Wichtige universitäre Forschungseinrichtungen sind: Division for Personality Studies am Medical Center der Universität Charlottesville (Virginia), Princeton Engineering Anomalies Research Laboratory an der Universität Princeton (New Jersey), Arthur-Koestler-Lehrstuhl für Parapsychologie am Psychologischen Institut der Universität Edinburgh (Schottland). In Deutschland ist die parapsychologische Beratungs-, Informations- und Forschungarbeit an zwei Institutionen geknüpft, die alle in Freiburg i.Br. ihren Sitz haben: das 1950 gegründete Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V., das über eine umfangreiche Spezialbibliothek verfügt, sowie die im Rahmen der Wissenschaftlichen Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie e.V. gegründete Parapsychologische Beratungstelle. Diese Einrichtungen sehen sich vor allem mit psychologischen und psychohygienischen Auswirkungen der “modernen” Okkultismus- und Esoterik-Welle konfrontiert.

Literatur

Krippner, S. (1977-1997). (Ed.). Advances in parapsychological research, vols. I-VIII. New York: Plenum Press 1977-1982; Jefferson, NC & London: McFarland 1984-1997. [Bisher 8 Bände]

Lucadou, W.v. (1995). Psyche und Chaos: Theorien der Parapsychologie. Frankfurt a. M.: Insel Verlag (auch als Insel-Taschenbuch erschienen unter dem Titel: Psi-Phänomene: Neue Ergebnisse der Psychokinese-Forschung. Frankfurt a. M./Leipzig: Insel Verlag 1997, it 2109).

Radin, D. (1997). The conscious universe: The scientific truth of psychic phenomena. San Francisco: HarperEdge.

Utts, J. (1991). Replication and meta-analysis in parapsychology. Statistical Science, 6, 363-403.

White, R. A. (1990). Parapsychology: new sources of information, 1973-1989. Metuchen, N. J., & London: Scarecrow.

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